Salat, Kartoffeln, gereifter Käse: Essen, das dem Körper gut tut und Entzündungen entgegenwirkt.

Foto: i-med Innsbruck

Das natürliche Polyamin Spermidin hat einen Anti-Aging-Effekt zur Folge. Erstmals habe ein internationales Forscherteam, geleitet von der Medizin Uni Innsbruck, diesen Effekt nun auch für den Menschen nachweisen können, teilte die Universität in einer Aussendung mit.

Wer mit der Nahrung viel Spermidin zu sich nimmt, verlängere damit möglicherweise seine gesunde Lebensspanne, so die Forscher, die untersucht hatten, inwieweit Nahrungsbestandteile in der Lage sind, systemisch Einfluss auf Entzündungs- und Alterungsprozesse zu nehmen. "Unsere Ergebnisse basieren auf Daten von 829 Probanden aus der prospektiven Bruneck Studie und spezifischen Diätfragebögen zur Berechnung der Nahrungsaufnahme. Damit können wir die aus verschiedenen Modellorganismen bereits bekannte Wirkung von Spermidin auf altersbedingte Prozesse bestätigen sowie seine Rolle als unabhängige Einflussgröße auf die Lebensspanne nun auch erstmals beim Menschen untermauern", erklärte der Neurologe Stefan Kiechl.

Viel Keimgemüse

Untersucht wurde, inwieweit die über die Nahrung aufgenommene Menge an Spermidin mit der Lebensspanne korreliert. Das Ergebnis: Probanden, die viel Spermidin über die Ernährung zuführen, also mindestens 80 µmol (Mikromol) pro Tag, wiesen ein deutlich geringeres Risiko auf, im 20-jährigen Beobachtungszeitraum zu versterben. "Der Überlebensvorteil von spermidinreicher im Vergleich zu spermidinarmer Ernährung (bis zu 60 µmol pro Tag) beträgt rund fünf Jahre", sagt Forscher Raimund Pechlaner.

Der Gehalt von Spermidin, das in hoher Konzentration in Samenflüssigkeit sowie in anderen Körperzellen vorkommt und auch von bestimmten Darmbakterien produziert wird, nehme im Lauf des Lebens ab. "Dieser Entwicklung kann durch eine Ernährung mit spermidinreichen Lebensmitteln wie Keimgemüse, Erbsen, Vollkornprodukten, Äpfeln, Salat, Pilzen, Nüssen, Kartoffeln oder gereiftem Käse entgegengewirkt werden", betonten die Innsbrucker Forscher. Umgelegt auf die individuelle Nahrungsmittelzufuhr, würde man sich mit beispielsweise zwei Portionen Vollkornbrot, zweimal Salat und einem Apfel auf dem täglichen Speiseplan im oberen Drittel der Spermidin-Einnahme wiederfinden.

Kurbelt Selbstreinigung an

Mechanistisch gesehen beruht die lebensverlängernde Wirkung von Spermidin laut den Wissenschaftern vor allem auf seiner Fähigkeit, Autophagie anzuregen. Bei diesem, auch durch mehrstündiges Fasten ausgelösten, Selbstreinigungsprozess der Zelle werden fehlerhafte oder nicht mehr benötigte Zellbestandteile abgebaut und verwertet.

Weil die Autophagie im Alter an Effizienz verliert, kommt es zu krankheitsrelevanten Ablagerungen in den Zellen, die wiederum zu Demenz, Diabetes, Tumoren und Atherosklerose führen können. "Die vermehrte Aufnahme von Spermidin signalisiert der Zelle, den Selbstreinigungsprozess zu starten und schützt damit vor Ablagerungen und vorzeitiger Alterung", so Kiechl. Die Ergebnisse der Studie, die unter der Federführung der Medizin Uni Innsbruck und mit der Universität Innsbruck und dem Krankenhaus Bruneck sowie mit Forschern in Graz, London und Paris entstanden sind, wurden soeben im American Journal of Clinical Nutrition (AJCN) veröffentlicht.

Und was ist mit Superfood?

Dass die Menschen gesund essen wollen, hat auch die Werbung registriert. Die als Superfood vermarkteten Nahrungsmittel wie etwa Acai-Beeren, Granatäpfel oder asiatische Gojibeeren haben sich in den Supermarktregalen vermehrt. Der Trend aus den USA schwappt zunehmend auch nach Europa über.

Eine rechtlich bindende Definition, welche Lebensmittel so genannt werden dürfen, gibt es nicht, sagte Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Bonn. "Im Allgemeinen werden unter Superfood besonders nährstoffreiche Lebensmittel zusammengefasst, vor allem aus dem Bereich Obst und Gemüse."

Demnach ist Superfood oft reich an Vitaminen, Mineralstoffen und Antioxidantien, die gesundheitsfördernde Wirkungen haben können. Als typische Vertreterinnen nennt Gahl Gojibeeren, Chiasamen, Acai-Beeren und Granatäpfel. "Mehr und mehr kommen aber auch heimische Produkte wie Heidelbeeren, Brennnessel oder Hagebutte hinzu."

Dass bisher vor allem Nahrungsmittel aus weit entfernten Ländern als Superfood gelten, ist aus Sicht der Bremer Verbraucherzentrale kein Zufall. Die Verbindung aus Exotik und Gesundheitswert reize viele Menschen, sagte Regina Aschmann, die Interessierte bei Ernährungsfragen berät. Nötig seien solche Früchte für die Gesundheit allerdings nicht. "Wer sich abwechslungsreich mit gesunden, heimischen Lebensmitteln ernährt, braucht kein exotisches Superfood."

Zweifelhafte Heilsversprechen

Produkte aus anderen Kontinenten bergen Aschmann zufolge einige Gefahren. "Bei exotischen Lebensmitteln ist das Risiko viel größer, dass trotz Bio-Siegel die Vorgaben nicht eingehalten werden." Werbebotschaften über den gesundheitlichen Nutzen – etwa, dass Granatäpfel bei Wechseljahrbeschwerden und Prostatakrebs helfen – seien mit Vorsicht zu genießen. "Es wird das Blaue vom Himmel versprochen und vieles ist nicht bewiesen."

Gahl zufolge kann exotisches Superfood den Speiseplan bereichern, einen gesundheitlichen Mehrwert habe es im Vergleich zu heimischem Obst und Gemüse aber nicht. Die Ernährungswissenschafterin verweist zudem darauf, dass sich die langen Transportwege von exotischen Nahrungsmitteln negativ auf den Nährstoffgehalt und die Klimabilanz auswirken können.

Ribisl und Leinsamen

Dass Leinsamen eine gute und günstigere Alternative zu Chiasamen sein können, ist vielen ernährungsbewussten Menschen inzwischen bekannt. Die Umsätze des Lebensmitteleinzelhandels und der Drogeriemärkte mit den exotischen Samen und Chia-Produkten sind nach Daten des Marktforschungsinstituts Nielsen von März 2017 bis März 2018 beispielsweise in Deutschland um knapp 17 Prozent zurückgegangen.

Die Umsätze mit Leinsamen wuchsen in diesem Zeitraum um etwa 23 Prozent. "Es gibt immer neue Trends", sagte Ulrike Brückner-Christoph, die bei Nielsen eine Analytik-Abteilung leitet. Besonders beliebt seien derzeit Produkte, in denen Stücke, Aroma, Saft oder Pulver der exotischen Superfood-Frucht Granatapfel enthalten sind. Alternativen gibt es viele. Statt Gojibeeren empfehlen Fachleute Ribisel, statt Acai-Beeren Heidelbeeren oder Weichseln. (red, 2.7.2018)