2016 kletterten einige Identitäre auf das Dach der Parteizentrale der steirischen Grünen in Graz.

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Am Mittwoch startet in Graz der größte Prozess gegen Rechtsextreme, den Österreich in den vergangenen fünf Jahren erlebt hat. 17 Anhänger der Identitären Bewegung sind angeklagt, die Staatsanwaltschaft will ihnen die Bildung einer "kriminellen Vereinigung" nachweisen. Helfen könnte das Abwehramt des Bundesheeres, das mindestens einen Informanten in deren Reihen hatte. "Sandro", so der Deckname der Quelle, lieferte dem Bundesheer-Nachrichtendienst "sehr gute Informationen", wie aus einem nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Bericht des Verteidigungsministeriums hervorgeht.

Demnach kam das Abwehramt über "Sandro" an "Details über geplante Aktionen und führende Personen der Identitären Bewegung". Auch nahm der Informant an einer Aktion der Rechtsextremisten teil, die in der Anklageschrift besondere Erwähnung findet. Im Präsidentschaftswahlkampf 2016 kletterten einige Identitäre auf das Dach der Parteizentrale der steirischen Grünen in Graz, wo sie ein Transparent mit der Aufschrift "Islamisierung tötet" anbrachten und mit Theaterblut – so der Strafantrag – übergossen. Auf dem Dach sitzend verkündeten sie über Megafon Parolen. "Sandro" stand vor dem Gebäude und hielt einen sogenannten Bengalo und eine Fahne in der Hand. Auf STANDARD-Anfrage wollte die Staatsanwaltschaft Graz keinen Kommentar abgeben.

Rechtlich umstritten

Aus dem Bericht des Verteidigungsministeriums geht auch hervor, dass "Sandro" als Ordner der Rechtsextremisten eingesetzt wurde und via Whatsapp mit deren führenden Köpfen kommunizierte. Er erzählte seinem Verbindungsmann beim Abwehramt, dass die Identitären "Mobiltelefone vor einer Aktion einsammeln oder überprüfen" würden.

Der Einsatz von Spitzeln durch das Abwehramt ist zwar rechtlich gedeckt, aber umstritten. Da diese ja "liefern müssen", wie ein hoher Vertreter des Bundesheeres dem STANDARD erklärt. Auch zeigt der Bericht des Verteidigungsministeriums auf, dass sich "Sandro" im Zuge seiner Tätigkeit als informeller Mitarbeiter immer tiefer in rechtsextreme Kreise einarbeitet: "Sandro" war zu Beginn seiner Tätigkeit als Quelle als "unzufriedener Bürger" einzustufen. Er entwickelte sich ab seiner Anwerbung in der rechtsgerichteten Szene als Person des "organisatorischen Mittelfelds", hält das Papier fest. Der Jurist und Grünen-Politiker Albert Steinhauser warnt vor deren Einsatz: "Das Einschleusen von Spitzeln kann hochproblematisch enden, wie der Terrorfall NSU gezeigt hat. Spitzel entwickeln ein Eigenleben, decken Quellen und filtern Informationen."

Schändung einer Moschee

Tatsächlich werfen auch die Handlungen von "Sandro" einige Fragen auf. So wurde er festgenommen, als er mit dem Anführer einer rechtsextremen Kleinstpartei eine in Bau befindliche Moschee schändete. Vor dieser wurde ein Schweinskopf abgelegt. Seine Festnahme führte zu Verstimmungen zwischen Verfassungsschutz und Abwehramt. So wurden Mitarbeiter des Abwehramts durch Verfassungsschützer bei Rechtsextremen geoutet. Einige Agenten des Bundesheers denken sogar, dass das steirische Landesamt für Verfassungsschutz ihrem Informanten eine Falle gestellt hatte.

Auch diese Vorfälle werden nun in Graz verhandelt, allerdings in einem getrennten Prozess. Neben dem Informanten wurden drei Rechtsextreme angeklagt, gegen die Abwehramt-Mitarbeiter wird weiter ermittelt. Ein steirischer Verfassungsschützer, dem man Amtsmissbrauch und gefährliche Drohung vorwarf, wurde entlastet, weil der "Wortlaut zu unbestimmt" war.

"Sandro" ist aber keineswegs die einzige Quelle innerhalb der Identitären. Nach Informationen des STANDARD hat auch der Verfassungsschutz Informanten im Umfeld der Gruppierung eingeschleust. Dabei kommt der Behörde gelegen, dass Identitäre Kontakte zu militanten Neonazis unterhalten, die in den vergangenen Jahren bei ihren Demonstrationen als Ordner in Erscheinung traten und von Ermittlungsbehörden unterwandert sind. (Markus Sulzbacher, 2.7.2018)