Über die Fraktionswahl der FPÖ von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (re.) ist Kommissionschef Jean-Claude Juncker nicht glücklich.

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Auf Österreich kommt nach den Worten von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker in den nächsten sechs Monaten eine schwierige, aber die vielleicht wichtigste EU-Ratspräsidentschaft seit langem zu, was die Zukunft der Union betrifft. Er sei sicher, dass die Bundesregierung in Wien diese Aufgabe verantwortungsvoll erledigen werde.

"Österreich hat eine gute Tradition darin, Kompromisse zu schließen, des Austarierens, zwischen Regierung und den Ländern, auch mit den Nachbarn, mit Bayern. Das hat man bei zwei früheren EU-Vorsitzen schon unter Beweis gestellt", sagte Juncker am Montag im Gespräch mit österreichischen Journalisten in Straßburg. Das Interview kam am Vorabend der "Antrittsrede" von Bundeskanzler Sebastian Kurz am Dienstag im Plenum des Europäischen Parlaments zustande.

FPÖ soll "diesen Verein verlassen"

Juncker sagte auf die Frage, ob die EU-Ratspräsidentschaft auch einen "zivilisierenden Einfluss" auf die FPÖ haben könnte, die im EU-Parlament in der Fraktion ENF, etwa mit der rechten Partei Rassemblement National von Marine Le Pen, sitzt: "Ich wünsche mir, dass die FPÖ aus diesem negativen Verein austritt, da gehört sie nicht voll hin. Aber das ist nicht meine Entscheidung. Die FPÖ ist wie sie ist. Für mich gehört sie nicht in diese Rubrik. Es liegt nicht an mir, Herrn Strache eine Empfehlung zu machen".

Die Kommission habe "gute Beziehungen zu Bundeskanzler Sebastian Kurz, wir arbeiten mit der Regierung professionell zusammen, wie mit allen anderen auch". Der Präsident bestätigte, dass er beim Besuch der Regierung in Brüssel mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache "ein gutes Gespräch" gehabt habe. Er deutete an, dass er Strache gebeten habe, die Fraktion der extrem Rechten im EU-Parlament zu verlassen.

Wider die "Regulierungswut"

Viel Lob für Kurz: "Ich erwarte mir von ihm, dass er ernst macht mit dem Satz, dass Österreich eine Vermittlerrolle spielen will. Ich traue es ihm zu. Er gehört zu den neuen Talenten in Europa, die braucht man auch", sagte Juncker.

Aber: Der Kanzler müsse wissen, dass "auf dem Kompromissteller nicht immer nur Wiener Schnitzel liegt. Aber wir schaffen das schon", meinte der Kommissionspräsident launig. Wenn man von einem Präsidentschaftsprogramm auch nur 60 Prozent umzusetzen vermag, sei das "leistungsstark".

Das Motto "Ein Europa, das schützt" findet Juncker indes gut gewählt, "das übernimmt den Ansatz, den ich zu Beginn meiner Präsidentschaft gewählt habe. So sei das auch mit dem Wunsch nach Subsidiarität, "dem Wunsch, die Regulierungswut nach unten zu korrigieren". Seine Kommission habe die Zahl der Gesetzesinitiativen seit 2014 deutlich reduziert.

Zentrales Thema der nächsten Monate wird laut Juncker sein, die beim EU-Gipfel vereinbarten Beschlüsse in Bezug auf Migration umzusetzen. Hier erwarte er ganz konkrete Ergebnisse, sagte der Präsident. Was die geplanten Ausschiffungsplattformen in Nordafrika betrifft, bestätigte er, dass die Frage, ob man dort auch Asylanträge stellen könne, von den Staats- und Regierungschefs nicht geklärt worden sei. "Da muss noch nachverhandelt werden von den Innenministern."

Juncker warnt aber davor, in Afrika in einer Art aufzutreten, die einen "neokolonialistischen Grundreflex" auslöse. Die EU müsse den Konsens mit afrikanischen Staaten suchen, in behutsamer Weise. Das sei eine heikle Aufgabe, die weniger der Ratspräsidentschaft zufalle als jenen EU-Staaten, die eine besondere Beziehung zu Afrika hätten. (Thomas Mayer aus Straßburg, 2.7.2018)