Muss sich einiges gefallen lassen, muss sich sehr oft fallen lassen: Neymar.

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Mexiko-Teamchef Juan Carlos Osorio: "Schiri, was ist das?"

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Samara – Eric Cantona kann wirklich lustig sein. Der ehemalige französische Stürmer von Manchester United, mittlerweile 52 Jahre alt und während der WM für den TV-Sender Eurosport tätig, stellte einen gelben Koffer mit vier Rollen auf einen Tisch. "Ich nenne ihn Neymar", sagte Cantona. "Weil er gelb ist. Aber nicht nur deshalb." Dann gab Cantona dem Koffer einen leichten Schubser, und der Koffer drehte und drehte und drehte sich.

Der echte Neymar, kein Koffer, sondern Brasiliens Superstar, hatte sich im Spiel gegen Mexiko ganz ähnlich gedreht, gewunden und beinahe überschlagen, etwa als ihm der Mexikaner Miguel Layun – wenn auch durchaus Karten-würdig, so doch ziemlich sachte – aufs Schienbein stieg.

Mexikanische Empörung

Die Mexikaner waren empört, allen voran ihr Teamchef Juan Carlos Osorio, der den Namen Neymar nicht in den Mund nahm, aber doch sehr deutlich wurde. "Es ist eine Schande für den Fußball", sagte Osorio. "Das ist ein schlechtes Beispiel für die ganze Welt und all die Kinder vor dem Fernseher. Es sollte nicht so viel Schauspielerei geben. Dadurch haben auch wir unseren Rhythmus verloren. Der Referee ist auf das ständige Reklamieren der Brasilianer hereingefallen."

Auch Dänemarks Torwart-Idol Peter Schmeichel hat Neymar hart kritisiert. Zugleich bemängelte der langjährige Keeper des englischen Rekordmeisters Manchester United, dass der Brasilianer vom Weltverband Fifa nach dem 2:0-Sieg auch noch ausgezeichnet worden war. "Mein Gott, die Fifa muss auch darauf schauen, wie er sich im Spiel verhält. Ich kann das nicht anders als schändlich nennen", sagte Schmeichel als TV-Experte von Russia Today.

Schwan

Zu Neymars, wenn man so will, Ehrenrettung sei erwähnt, dass der 26-Jährige das 1:0 selbst erzielt und das 2:0 vorbereitet hatte. Kein Spieler ist während der WM öfter gefoult worden (22-mal). Das war Schmeichel egal. "Ich wünschte, er hätte nicht mitgespielt. Weil es so ärgerlich ist, mitanzusehen, wie er Strafen für andere Spieler provoziert." Neymar erweckt, wenn er den sterbenden Schwan gibt, laut Schmeichel folgenden Eindruck: "Er kommt auf eine Trage, wird ins Spital gebracht, und wir sehen ihn nie wieder."

Als Neymar im August 2017 für 222 Millionen Euro vom FC Barcelona zu Paris Saint-Germain wechselte, war dies der teuerste Transfer der Fußballgeschichte, und er ist es nach wie vor. Neymar hat in Paris einen Vertrag bis 2022, zuletzt tauchten in Spanien Gerüchte auf, die ihn mit Real Madrid in Verbindung brachten. Demnach soll der Champions-League-Sieger 310 Millionen Euro für Neymar geboten haben. Real hat das Gerücht allerdings in einem Statement flott dementiert.

Zauber und Irritation

Selbst in seiner Heimat sorgt Neymar, der nach gut dreimonatiger Verletzungspause rechtzeitig fit wurde, nicht nur für Verzückung, sondern auch für Verwunderung. O Globo brachte es auf den Punkt: "Neymar verzaubert Brasilien und irritiert die Welt", schrieb die Tageszeitung aus dem Land des Rekordweltmeisters, der in Russland auf seinen sechsten WM-Titel losgeht. Die spanische Marca hielt fest: "Neymar ist ein schlechter Schauspieler."

Brasiliens Viertelfinale gegen Belgien am Freitag (20 Uhr) in Kasan ist für viele ein vorweggenommenes Finale. Die Belgier haben bei ihrem 3:2-Sieg über Japan keine einzige gelbe Karte und in vier Spielen insgesamt erst fünf Verwarnungen kassiert. "Ich will nicht, dass es meine WM wird", sagt Neymar. "Ich will, dass es die WM Brasiliens wird." (fri, 3.7.2018)