In Ansammlungen von Gas und Staub im Weltraum – im Bild der berühmte Orionnebel – entsteht trotz der niedrigen Temperaturen und der geringen Dichten eine Vielzahl von Molekülen.

Foto: EUROPEAN SOUTHERN OBSERVATORY

Heidelberg – Es mag verwundern, dass in Ansammlungen von Gas und Staub im Weltraum überhaupt viele chemische Reaktionen stattfinden, im Vakkum und bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt. Tatsächlich jedoch lieferten Beobachtungen mit Teleskopen von der Erde aus Hinweise auf die Entstehung einer Vielzahl von teilweise komplexen Molekülen. Die Grundlage dieser kalten interstellaren Chemie sind Reaktionen zwischen geladenen und ungeladenen Atomen oder Molekülen. Aktuelle Untersuchungen zeigten nun, dass diese zum Teil schneller ablaufen als gedacht.

Diese sogenannten Ionen-Neutral-Reaktionen in der Gasphase bringen eine ganze Reihe von Molekülen hervor, vom protonierten Wasser (H₃O⁺) bis hin zu organischen Verbindungen. Trifft eines der protonierten und daher positiv geladenen Moleküle allerdings auf ein freies Elektron, wird es neutralisiert und zerbricht normalerweise in neutrale Bruchstücke. Dieser Prozess führt zu Verbindungen, die von Wasser (H2O) bis hin zu Alkohol und anderen organischen Molekülen reichen.

Simulierter Weltraum

Wie effektiv diese Prozesse sind, hängt entscheidend davon ab, ob ein Stoß zwischen den Reaktionspartnern auch tatsächlich zur Reaktion führt, denn in dem dünnen Medium sind Stöße selten. Das lässt sich nur mit Laborexperimenten herausfinden, die unter Bedingungen wie in interstellaren Wolken erfolgen sollten. Ein Team um Holger Kreckel Max-Planck-Institut für Kernphysik konnte bei simulierten Bedingungen einer diffusen interstellaren Wolke nachweisen, dass dies häufiger geschieht als angenommen.

Die Wissenschaftler bestimmten dafür mithilfe einer sogenannten kryogenen Radiofrequenz-Ionenfalle die Rate, mit der wichtige Zwischenschritte zur Bildung von Wasser ablaufen. Es zeigte sich, dass hier praktisch jeder Stoß zur Reaktion führt.

Quanteneffekte berücksichtigt

Parallel dazu haben Kollegen aus Zypern und den USA theoretische Rechnungen mit einer neuartigen Methode durchgeführt, welche auf elegante Weise Analogien zwischen einem Quantensystem und den Eigenschaften von ringförmigen Molekülen nutzt und damit Quanteneffekte berücksichtigt, welche bei tiefen Temperaturen besonders zum Tragen kommen. Die so berechneten Ratenkoeffizienten stimmen laut der im Fachjournal "Science Advances" präsentierten Studie hervorragend mit den gemessenen überein.

Die neuen Werte sind gegenüber früheren Messungen bei Raumtemperatur deutlich "schneller". Das hat Auswirkungen auf das Verständnis der interstellaren Chemie, die weit über die Wasserbildung hinausgehen. "Unsere Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, in astrochemischen Modellen Parameter zu verwenden, die unter Weltraumbedingungen gemessen wurden", sagt Kreckel. (red, 3.7.2018)