Deutschlands Ankündigung, an der Grenze zu Österreich Transitzentren zu eröffnen, lässt EU-Rechtsexperten zweifeln.

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Wien – Die Ankündigung von CDU und CSU, Flüchtlinge an der bayerischen Grenze zu Österreich an der Einreise zu hindern, wirft auch die Frage auf, ob diese Vorgangsweise rechtlich gedeckt ist. Der Völkerrechtler Franz Leidenmühler von der Uni Linz vertritt im STANDARD-Gespräch die Auffassung, dass die Vorgangsweise der Unionsparteien grundsätzlich "unionsrechtlich unproblematisch" sei.

Er verweist auf die Dublin-Verordnung, laut der eben jenes EU-Land zuständig ist, in dem ein Flüchtling zuerst Unionsboden betritt. Wenn also jemand aus Österreich nach Deutschland wolle, sei eine Zurückweisung an der Grenze aus europarechtlicher Sicht in Ordnung. Selbiges könnte natürlich auch Österreich an der Grenze zu Slowenien machen. "Auch wir könnten sagen: Wir sind nicht zuständig." Ausnahme seien lediglich Flüchtlinge, die via Flugzeug einreisen.

Rückweisung an Grenze erlaubt

Zu berücksichtigen sei dann noch die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK). Aber auch diese sehe das Konzept der sicheren Drittstaaten vor, meint Leidenmühler. Wenn jemand also bereits vor der Einreise in einem sicheren Staat war, gebe es auch nach der Flüchtlingskonvention die Möglichkeit von Rückschiebungen.

Geprüft werden müsse hier aber auch die humanitäre Seite. So gibt es zu Griechenland Judikatur, wonach das Land kein sicherer Drittstaat sei. Und sollte beispielsweise Ungarn Flüchtlinge schlecht behandeln, müsste Österreich ebenfalls prüfen, ob eine Rückweisung vertretbar sei, sagt Leidenmühler. Aus deutscher Sicht spreche aber jedenfalls auch aus Sicht der Genfer Konvention nichts gegen Rückweisungen nach Österreich.

Sind Transitzentren rechtlich erlaubt?

Zum Kunstgriff, die deutschen Transitzentren quasi als nicht deutsches Territorium einzustufen, müsste man aus Leidenmühlers Sicht also gar nicht greifen. "Wie soll das gehen? Außerdem: Wenn man Staatsgebiet aufgibt, wäre es staatenloses Gebiet, das dann von jedem in Besitz genommen werden könnte."

Würden deutsche Transitzentren eröffnet, stellen sich überhaupt einige rechtliche Fragen, erläutert der Europarechtler Walter Obwexer von der Universität Innsbruck. In der Dublin-Verordnung gibt es nämlich eine zusätzliche Regelung: Scheitert die Rückübernahme eines Migranten durch das laut Dublin-Verordnung eigentlich zuständige Land, geht die Zuständigkeit auf jenes Land über, in dem sich der Flüchtling befindet.

Österreichischer Grenzschutz rechtskonform

Beispiel: Deutschland will eine Migrantin, die in Italien registriert wurde, nach Italien zurückbringen, doch Italien stimmt nicht zu – dann ist Deutschland am Zug. "Das wollen die Deutschen vermeiden, indem sie die Transitzentren zum exterritorialen Gebiet erklären", sagt Obwexer. Doch auch er ist sich sicher: "Es kann kein Niemandsland geben, das wird der Europäische Gerichtshof nicht durchgehen lassen."

Grundsätzlich seien Grenzkontrollen trotz an sich offener Grenzen im Schengenraum unter verschiedenen Voraussetzungen möglich. "Deutschland beruft sich derzeit darauf, dass die EU-Außengrenzen nicht ordentlich geschützt werden, was Binnengrenzkontrollen nötig mache", erklärt Obwexer. Das hat der Europäische Rat abgesegnet, mit derselben Begründung sollte auch Österreich Kontrollen an der Südgrenze argumentieren können, ist der Experte überzeugt.

Quotenregelung wäre sinnvoll

Die Dublin-Verordnung sei übrigens nie für große Antragszahlen gedacht gewesen, sagt Leidenmühler. Aus Sicht des Völkerrechtlers wäre deshalb der Vorschlag der EU-Kommission, die Flüchtlinge entsprechend einer Quotenregelung zu verteilen, sinnvoll. Der wurde allerdings wegen Widerstands zahlreicher Länder nie umgesetzt. (Katharina Mittelstaedt, Günther Oswald, 3.7.2018)