Das geplante Urheberrecht soll europäische Medienkonzerne gegenüber US-Plattformen stärken. Das hat mit dem eigentlichen Zweck nichts zu tun.

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Der Widerstand gegen die geplante EU-Urheberrechtsreform wird vor der Abstimmung im Europaparlament am 5. Juli immer lauter. Knapp 700.000 Menschen haben bereits eine Petition gegen "Uploadfilter" unterschrieben, die alles, was wir ins Netz stellen, vorab prüfen sollen. Der Erfinder des WWW nannte diesen Plan einen "noch nie dagewesenen Schritt in Richtung Überwachung und Kontrolle".

Gegen das "Leistungsschutzrecht", das soziale Netzwerke und Suchmaschinen für das Verbreiten von Nachrichteninhalten zur Kasse bitten soll, haben sich 169 Wissenschafter in einem offenen Brief ausgesprochen: Es sei nicht in öffentlichem Interesse, werde Journalistinnen und Journalisten schaden und das Ungleichgewicht auf dem Medienmarkt verschlimmern.

Wer schreibt solche Gesetze?

Das Urheberrecht nach 15 Jahren an die neuen technischen Gegebenheiten anpassen und europaweit vereinheitlichen: So lautete die Aufgabe, die dem damaligen Digitalkommissar Günther Oettinger (CDU) zu Beginn seines Mandates gestellt wurde. Wenige Monate später war klar, dass sein Fokus ganz woanders lag. Lobbystarke Industrien hatten das Projekt gekapert. Nun soll das Urheberrecht dafür herhalten, europäische Medienkonzerne im Netz gegenüber amerikanischen Plattformen zu stärken und den Medienwandel ein Stück weit zurückzudrehen.

Um solche abstrakten politischen Ziele, die mit dem Urheberrecht erst einmal nichts zu tun haben, in konkrete Copyright-Paragrafen zu gießen, muss man sich von sachlicher Problemanalyse und zielgerichteter Regulierung abenteuerlich weit entfernen.

Um soziale Netzwerke und Suchmaschinen zu Zahlungen an Medienhäuser zu zwingen, behandelt das neue Gesetz die Wiedergabe jener kurzen Ausschnitte, die Links auf Zeitungsartikel bewerben, gleich wie den Diebstahl ganzer Textpassagen.

Wenn Teenager Tanzvideos hochladen, bei denen im Hintergrund Popsongs laufen, sollen Videoplattformen dafür künftig gleichermaßen haften, als hätten die Plattformen die Lieder selbst zu Profitzwecken veröffentlicht. Das Ziel dabei: Die Verhandlungsposition der Musikindustrie gegenüber Youtube zu verbessern.

Algorithmen ohne Kontrolle und Aufsicht

Wie wir uns im Netz ausdrücken können – welche unserer Posts und Uploads überhaupt online gehen dürfen –, darüber sollen Algorithmen entscheiden, über die Medienkonzerne ohne jegliche Aufsicht die Kontrolle haben. Die Wahrung der freien Meinungsäußerung bleibt nachträglichen Beschwerdemechanismen überlassen – bei denen allerdings wieder die Konzerne das letzte Wort haben.

Kleine europäische Start-ups werden zum Einsatz gleich wirksamer Filtertechnologie verdonnert, wie sie Youtube mit Millionenaufwand entwickelt hat. Das Internet wird reguliert, als gäbe es nur Facebook und Google – mit dem absehbaren Ergebnis, dass es letztendlich auch so kommen wird.

Zynisches Politikverständnis

Axel Voss, der Autor des Parlamentsentwurfs im Namen der EVP-Fraktion – der auch die ÖVP angehört –, wischt all diese Bedenken als "Fake-News-Kampagne, die von den großen Plattformen betrieben wird", vom Tisch. Wer nicht die Profitinteressen der Medienkonzerne ins Zentrum stellt, muss wohl in der Tasche der Internetkonzerne stecken, so die Logik: Ein zynischeres Politikverständnis ist kaum vorstellbar.

Am Donnerstag kann das Parlament diese Unsinnsparagrafen nochmals für inhaltliche Änderungen öffnen. Ob das passiert, wird davon abhängen, ob die Telefone der Abgeordneten am Mittwoch nochmals heißlaufen: Auf saveyourinternet.eu wird man kostenlos mit seinen Abgeordneten verbunden.

Kollateralschaden verhindern

Viele österreichische Abgeordnete haben sich schon gegen dieses Gesetz ausgesprochen – darunter sogar ÖVP-Mandatare. Bleibt nur zu hoffen, dass sie dem Druck der Bundesregierung standhalten, die in Person von Medienminister Gernot Blümel die Pläne befürwortet.

Gewinnen wir die Abstimmung am 5. Juli, können wir die schlimmsten Kollateralschaden noch mit klugen Umformulierungen verhindern. Langfristig müssen wir jedoch an die Wurzel: Diese Art, Gesetze zu machen, ist unverantwortlich und brandgefährlich. (Julia Reda, 4.7.2018)