Die mögliche Sichtung eines Weißen Hais vor der spanischen Insel Mallorca hat den heimischen und internationalen Boulevard vergangene Woche veranlasst, vor "hunderten Weißen Haien im Mittelmeer" zu warnen.

Wie groß die Population Weißer Haie im Mittelmeer tatsächlich ist, lässt sich seriös nicht beantworten. Laut der Naturschutzorganisation IUCN, der unter anderem das österreichische Umweltministerium und WWF Österreich angehören, sind die Aufzeichnungen "inkomplett und anekdotisch".

In der kroatischen Adria wurden laut IUCN von den 1960er- bis zu den 1990er-Jahren null bis 0,4 jährliche Sichtungen gemeldet. Seither scheinen sich die Tiere wegen Überfischung ihrer Hauptnahrungsquelle, des Roten Thuns, bis auf einzelne verirrte Exemplare aus diesem Teil der Gewässer zurückgezogen zu haben.

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Menschen sind für Haie gefährlicher als umgekehrt.
Foto: AP Photo/New Zealand Herald, Richard Robinson

Genetische Analysen und die Tatsache, dass Zahl an Beobachtungen trotz besserer Monitoringmethoden zuletzt nicht anstieg, werten Wissenschafter als Indiz für einen Rückgang der Gesamtpopulation. Der Weiße Hai steht auf der Roten Liste der IUCN und gilt im Mittelmeer als von der Ausrottung bedroht.

Rund ein Angriff pro Jahr

Was es nicht gibt, sind Hinweise, dass sich das Verhalten der Fische verändert hätte. Haiangriffe im Mittelmeer sind nach wie vor selten; wie eine Auswertung des Global Shark Attack File ergibt, wurden in den vergangenen 200 Jahren 223 Berichte über Haiattacken im Mittelmeer dokumentiert.

76 davon endeten tödlich, in 29 Fällen war nicht bekannt, ob der Zwischenfall definitiv auf einen Angriff zurückzuführen war – oder menschliche Überreste in Mägen etwa nach Unfällen als Aas aufgenommen wurden.

Die meisten Vorfälle wurden laut Global Shark Attack File mit 70 in den Gewässern vor Italien dokumentiert, dahinter folgen Nachfolgestaaten Exjugoslawiens mit 37, Spanien mit 30 und Griechenland mit 26. Die Spezies ist in den meisten Fällen unbekannt, 42-mal soll es sich um einen Weißen Hai gehandelt haben.

Der jüngste Bericht über einen tödlichen Angriff stammt aus dem Jahr 2017, als eine unbekannte Anzahl von Migranten vor Libyen, die beim Versuch einer Bootsüberfahrtüber das Mittelmeer verunfallt waren, von einem oder mehreren Blauhaien getötet worden sein soll. 2006 starb ein ebenfalls über Bord gegangener Migrant vor der italienischen Insel Lampedusa durch einen Haiangriff.

Der bisher letzte Zwischenfall im Mittelmeer mit einem Freizeittaucher oder -schwimmer als Todesopfer ereignete sich 1989 vor Sardinien.

Jäger und Gejagter

Global und über alle Haiarten betrachtet, müssen die Tiere vielfach mehr Angst vor Menschen haben als umgekehrt. Während die Zahl der bei Haiattacken getöteten Menschen pro Jahr im niedrigen zweistelligen Bereich liegt, erlegen Menschen nach Schätzungen des Fachjournals "Marine Policy" jährlich eine dreistellige Millionenzahl an Haien. (Michael Matzenberger, 5.7.2018)