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Rohani in der Schweiz: Großes Thema war der Erhalt des von den USA aufgekündigten Atomdeals.

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Der Auftakt konnte schlechter nicht sein. Am Tag bevor der iranische Präsident Hassan Rohani doch noch seinen offiziellen Besuch in Österreich absolvieren sollte, musste der iranische Botschafter im Außenministerium in Wien antreten: Assadollah A., ein seit Juni 2014 hierzulande akkreditierter iranischer dritter Botschaftsrat, verliert in Österreich den Diplomatenstatus.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfängt seinen iranischen Amtskollegen Hassan Rohani. Gegen 11 Uhr sind Pressestatements geplant, danach ein Treffen mit Kanzler Sebastian Kurz.

A., der am Montag in Deutschland verhaftet wurde, wird verdächtigt, der Kopf eines geplanten Terroranschlags auf eine Versammlung des oppositionellen iranischen Nationalen Widerstandsrats (NCRI) in Paris am Wochenende zu sein. Zuvor war in Belgien ein iranisches Paar angehalten worden, in dessen Auto sich Bombenbauutensilien befanden. Sie beschuldigten den iranischen Diplomaten. Auch in Frankreich gab es Festnahmen.

Eine Absage des Besuchs Rohanis wird wohl im Raum gestanden sein – von beiden Seiten. Einstweilen blieb es aber dabei. Die Ankunft Rohanis in Wien aus der Schweiz, wo er ebenfalls einen offiziellen Besuch absolvierte, war bereits für Dienstagabend vorgesehen. Das offizielle Programm wird am Mittwochvormittag beginnen, vorgesehen waren Treffen mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz und ein Vortrag in der Wirtschaftskammer.

Außenminister Mohammed Javad Zarif, der Rohani begleitet, sprach nach Bekanntwerden der Anschlagspläne und der Verhaftungen von einer "False Flag"-Operation, die den Besuch Rohanis in Europa torpedieren sollte. In der Tat mutet der Zeitpunkt – genau jetzt, wo der Iran die Europäer braucht, um den Furor von US-Präsident Donald Trumps Iran-Politik auszugleichen – geradezu verrückt an. Für Freitag ist ein Wien ein Außenministertreffen jener am Atomabkommen beteiligten Staaten angesetzt, die dieses erhalten wollen, im Gegensatz zu den USA, die es aufgekündigt haben.

Rudy Giuliani in Paris

Gleichzeitig kann der Vorwurf nicht einfach vom Tisch gewischt werden, denn der Iran hat eine Vergangenheit von Geheimdienstanschlägen gegen Oppositionelle. Der NCRI beziehungsweise die ihn dominierenden linksislamistischen Volksmojahedin (MEK) galten jedoch immer als zu wenig einflussreich im Iran, um eine echte Gefahr darzustellen.

Allerdings ist jetzt in den USA eine Regierung am Ruder, in deren Umkreis es starke Sympathien für die MEK gibt. In Paris trat etwa der frühere New Yorker Bürgermeister und Trump-Anwalt Rudy Giuliani bei deren Veranstaltung auf. Auch John Bolton, Trumps Sicherheitsberater, gehört zu den Unterstützern. Kritiker hingegen sehen in den MEK eine undemokratische islamistische Organisation mit sektenhaften Zügen, einer Terrorismusvergangenheit und einer langen Geschichte der Kollaboration mit Diktator Saddam Hussein, der sie im Irak beherbergte. Inzwischen wurden diese Iraner aus dem Irak herausgebracht, die letzten kamen in Albanien unter.

Einigung auf "Missverständnis"

Der aktuelle verdorbene Auftakt des Besuchs in Wien ist umso unangenehmer, als im März 2016 schon einmal ein Besuch Rohanis in allerletzter Minute abgesagt wurde. Als Begründung wurden damals von den Iranern Sicherheitsbedenken angeführt, was die Österreicher jedoch zurückwiesen.

Manche meinen, der damalige Absagegrund sei eine geplante Demonstration eben der MEK gewesen, die Österreich nicht verbieten wollte. Auch ein Interview des damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer mit der iranischen Nachrichtenagentur Tasnim soll zur Verstimmung beigetragen haben: Seine Aussagen wurden so gebracht, dass die Hardliner sie gegen Rohani verwenden hätten können. Inzwischen hat man sich inoffiziell auf ein damaliges "Missverständnis" geeinigt.

Auch diesmal gibt es starke Kritik an dem Besuch, die antiiranische Organisation Stop the Bomb hat für Mittwoch gleich zwei Demonstrationen angemeldet. Rohanis Besuch in Wien findet nur wenige Wochen nach dem Besuch von Kurz in Israel statt, wo der österreichische Bundeskanzler die israelische Politik von Premier Benjamin Netanjahu völlig zu umarmen schien. Und Israel sieht den Iran als größte Bedrohung.

Kritik der Aktivisten

Zu Wort meldeten sich auch die Medical Professionals for Human Rights in Iran – Austria sowie das Komitee zur Verteidigung der Menschenrechte im Iran, Österreich, um die österreichischen Politiker auf die prekäre Menschenrechtslage im Iran aufmerksam zu machen. Die Oppositionellen werfen Rohani mangelnden "Willen und/oder Entschlossenheit" vor, sich nach dem Abschluss des Nukleardeals 2016 entschieden gegen den religiösen Führer Ali Khamenei – der mit der linken Hand Rohani agieren lässt und mit der rechten dessen Gegner füttert – zu stellen.

Im Iran werden die Menschen immer ungeduldiger und frustrierter, Demonstrationen, die sich immer öfter explizit gegen das Regime richten, gehören fast schon zur Normalität. Zu den Auslösern von Protesten gehören auch Wassermangel und Stromausfälle, verursacht durch die Trockenheit. Der Regierung Rohani gelingt die wirtschaftliche Wende nicht, und wenn das Atomabkommen wirklich kollabiert, wird die Situation noch schlechter werden.

Die Hardliner warten in den Kulissen – manche Beobachter meinen gar, dass die angeblichen Attentatspläne in Paris auf iranische Geheimdienstkreise zurückgehen, die Rohani weiter schwächen wollen. Wenn er trotz der Demontage eines iranischen Diplomaten Wien besucht, wird ihn zu Hause Schelte erwarten. Und Österreich muss mit Kritik dafür rechnen, dass es den Präsidenten eines Landes empfängt, dessen Diplomaten mutmaßlich Terroranschläge in der EU planen. (Gudrun Harrer, 4.7.2018)