Die Verbrüderung von Sebastian Kurz mit dem CSU-Innenminister Horst Seehofer und dem bayrischen CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder endet damit, dass Österreich seine "Südgrenze schützen muss", weil die Bayern im Zuge des großen Koalitionskrachs sich teilweise durchgesetzt haben. Effekt: Sie werden Flüchtlinge nach Österreich zurückschieben.

Aber das ist eine andere Geschichte. Von gesamteuropäischer Bedeutung ist, dass Angela Merkel selbstverständlich angeschlagen ist. Seehofer und Söder haben zwar auch dramatisch Schaden genommen – weil ihnen der Wähler das Mobbing gegen Merkel nicht honoriert -, aber ihre Gerade-noch-Behauptung gegen die Bayern tut ihrem Status nicht gut. Die Überlegung, es sollten beide abgekämpfte Kontrahenten, Seehofer wie Merkel, Jüngeren Platz machen, hat etwas für sich.

Aber die Weltlage ist nicht danach. Angela Merkel wird noch gebraucht.

In weniger als zwei Wochen steht der Gipfel zwischen Trump und Putin in Helsinki an. Es besteht die akute Gefahr, dass sich der amerikanische Möchtegern-Autokrat und der russische Autokrat zum Nachteil und Schaden von Europa einigen. Dass Putin die EU spalten und unter seinen Einfluss bringen will, ist durch seine konkludenten Handlungen belegbar. Der Historiker und Osteuropa-Experte Timothy Snyder (Bloodlands) hat kürzlich in einem Standard-Interview Putins Motivation bloßgelegt. Die EU mit ihrem Wohlstand, ihrer Rechtssicherheit und ihrem demokratischen System ist das Gegenmodell zu Putins Russland. Er kann seinem Volk das nicht geben, also muss er das Gegenmodell diskreditieren.

Trump ist ein Feind Europas

Die Motivation von Donald Trump ist schwieriger zu durchschauen. Er ist der erste US-Präsident, der das westliche Modell der Nachkriegszeit – Nato, EU, Freihandel, Bündnisse der Demokratien – zerstören will. Die Gründe dafür sind schwer zu begreifen, sie liegen wohl in seiner Psyche. Aber es genügt zu wissen: Donald Trump ist ein Feind Europas. Und er ist im Begriff, mit Putin, einem anderen Feind Europas, einen "wundervollen Deal" zu machen.

Unsinn, werden manche sagen. Aber man muss nur die Linien zwischen den Punkten ziehen, um ein Bild zu bekommen. Von jeher beschwert sich Trump über die EU. Sie sei "genauso schlimm wie China", wenn es darum gehe, die armen USA auszunutzen. Dem französischen Präsidenten Macron bot er bessere Handelsbedingungen an, wenn er aus der EU austritt. Die Nato hält er für überflüssig. Zuletzt spekulierte er mit dem Abzug von US-Soldaten aus Deutschland. Putin und andere autoritäre Herrscher sind sein Vorbild.

In dieser Situation kann Deutschland, kann Europa keine unerfahrene Person im Kanzleramt brauchen. Angela Merkel hat es in der Ukraine-Krise mit Putin aufgenommen, sie hat Trump auf ihre ruhige Art auflaufen lassen, sie kooperiert gut mit Macron, sie hat einfach das Format, um in dieser Bedrohung Europas – zu der ja auch der Brexit und die osteuropäischen Autoritären gehören – bestehen zu können.

Man sollte meinen, dass sich die CSU mit ihrem Versuch, rechtspopulistischer als die Rechtspopulisten zu sein, selbst ins Bein geschossen hat. Die Parteien der Mitte – Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale – sind in Europa in höchster Gefahr. Merkel mag daran einen Anteil haben, aber sie hat in einer Krisensituation vor drei Jahren das getan, was möglich war. Ihr politisches Kapital ist nicht ganz aufgebraucht, und es wird dringend gebraucht. (Hans Rauscher, 4.7.2018)