Eine solche "Bombe" hat die Polizei im Zuge der Hausdurchsuchung beschlagnahmt, hier ein Video zu dem Projekt.

Foto: OpenLab

Mit einer ganzen Reihe von Hausdurchsuchungen hat die Münchner Generalstaatsanwaltschaft vor rund zwei Wochen für Aufregung unter netzpolitischen Aktivisten in Deutschland gesorgt. Wurden dabei doch nicht nur die Räumlichkeiten des Dresdner Vereins Zwiebelfreunde durchforstet, man stattet auch gleich den Vorstandsmitgliedern in mehreren deutschen Städten einen Besuch in ihren Privatwohnungen ab. Im Rahmen dieser Aktion wurden unter anderem Festplatten, Mobiltelefone und andere Computertechnik beschlagnahmt, auch Spendenquittungen und Mitgliederlisten nahm die Polizei mit.

Nun geht der Chaos Computer Club, dessen Räumlichkeiten in Augsburg ebenfalls betroffen waren, mit Details zu den Vorkommnissen an die Öffentlichkeit, und übt dabei scharfe Kritik an der Staatsanwaltschaft. Die Durchsuchungen seien komplett unverhältnismäßig, hier würden Personen als Straftäter behandelt, die nicht mehr gemacht hätten, als Spenden zu sammeln, gibt Sprecherin Constanze Kurz zu Protokoll.

Spurensuche

Was damit gemeint ist, offenbart ein Blick auf den bekannten Sachverhalt. Anlass der Hausdurchsuchungen ist demnach ein auf einem anonym publizierten Blog befindlicher Gewaltaufruf gegen den AFD-Parteitag. Nun wird von der Staatsanwaltschaft aber gar nicht behauptet, dass die Netzaktivisten damit irgendetwas zu tun hätten. Der einzige Konnex ist, dass das Blog eine beim US-amerikanischen Technikkollektiv Riseup angesiedelte E-Mail-Adresse angibt, und dass der Verein Zwiebelfreunde immer wieder Geld für Riseup gesammelt hat.

Wie man hier auf die Idee kommt, gerade bei dem Dresdner Verein fündig zu werden, bleibt unklar, immerhin werden Riseup-Adressen weltweit von vielen Aktivisten benutzt, auch Spendenaufruf für die Plattform sind recht verbreitet. Beim CCC verweist man zudem darauf, dass man mit der selben Logik künftig Hausdurchsuchungen bei beliebigen Google-Nutzern durchführen könnte, wenn irgendwer auf so einem Blog eine Gmail-Adresse angibt. Zu der vagen Begründung für die Hausdurchsuchung passt auch, dass alle von der Amtshandlung betroffenen Personen lediglich als Zeugen und nicht als Beschuldigte geführt werden.

Konsequenzen

Moritz Bartl, Mitgründer und Vorstandsmitglied von Zwiebelfreunde e.V., gibt sich gegenüber dem Spiegel jedenfalls schockiert. Aufgrund der Beschlagnahmen sei ein normales Arbeiten praktisch nicht mehr möglich, er selbst habe Urlaub nehmen müssen, um all die Geschehnisse verarbeiten zu können. Bartl vermutet zudem eine versteckte Motivation der Behörden: Gerade die umfangreiche Beschlagnahme von Unterlagen unbeteiligter Projekte lege nahe, dass es hierbei in Wirklichkeit um ein allgemeines Sammeln von Informationen über den CCC Augsburg und dessen Unterstützern ging. Der Verein Zwiebelfreunde dürfte aber selbst auch bei manchen Behördenvertretern nicht all zu beliebt sein, betreibt man doch die Plattform Torservers.net, die das Anonymisierungsnetzwerk Tor über den Betrieb eigener Relays unterstützt.

Absurditäten

Wie schwer sich die Behörden mit Technik und Wissenschaft tun, zeigt auch ein Detail der Hausdurchsuchungen: So hat man sich dabei auch das OpenLab Augsburg vorgenommen, in dem Hacker an verschiedensten Projekten arbeiten – wie es in vielen solcher "Fab Labs" weltweit der Fall ist. Die dabei gefundenen Chemikalien und an der Tafel aufgezeichneten chemischen Formeln, nährten allerdings sofort den Verdacht der Beamten, dass man hier eine Bombenwerkstatt entdeckt habe. Infolge wurde auch ein kleines rotes Objekt in Form einer Bombe beschlagnahmt, das laut der Beschriftung der Beamten für das "Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion" gedacht ist. In Wirklichkeit handelt es sich dabei um ein simples Objekt aus einem 3D-Drucker – so wie auch all die erwähnten Chemikalien für diese Aufgabe sowie das Ätzen von Platinen gedacht sind. (Andreas Proschofsky, 4.7.2018)