Waltraud Klasnic sagte, ihr sei kein Fall von sexuellem Missbrauch im Skisport gemeldet worden.

Foto: APA/EXPA/MICHAEL GRUBER

Dina Nachbaur vom Weißen Ring: "Ein frischer Fall."

Weinwurm

Vielleicht ist es einfach nur dumm gelaufen. Als Waltraud Klasnic Mitte Juni als Leiterin einer vom Österreichischen Skiverband (ÖSV) eingesetzten Kommission in einer Pressekonferenz und via Schau TV die Ergebnisse monatelanger Forschung präsentierte, sagte sie, ihr und der Verbrechensopferhilfe Weißer Ring sei "kein Fall" von sexuellem Missbrauch im Skisport gemeldet worden. Dieser Darstellung hat Dina Nachbaur, Geschäftsführerin des Weißen Rings, zuletzt widersprochen, wie dossier.at berichtete.

"In den vergangenen sechs Monaten haben sich zwölf Betroffene von Missbrauch im Sport bei uns gemeldet", bestätigt Nachbaur auch dem STANDARD. Auf Nachfrage ergänzt sie: "Darunter sind auch Fälle aus dem ÖSV." Um die Anonymität der Betroffenen zu schützen, will Nachbaur nicht sagen, wie viele der zwölf Fälle den ÖSV betreffen und ob es sich um aktuelle Fälle handelt. Nur so viel: Ein Fall – dahingestellt bleibt, ob er den Skisport oder eine andere Sportart betrifft – war "so frisch", dass man "mit einer Krisenintervention" reagieren musste.

"Kommunikationsproblem"

Dieser Fall ist jedenfalls nicht der bekannte des Schülers der Ski-Akademie Schladming. Dieser hatte einen Trainer wegen Übergriffen angezeigt, der Trainer wurde zu zwölf Monaten Haft, vier davon unbedingt, verurteilt. Der Trainer legte Berufung ein, das Urteil ist nicht rechtskräftig. Auch vom Fall eines sofort freigestellten und angezeigten Masseurs im nordischen ÖSV-Bereich hatte Klasnic berichtet. Doch ansonsten, wie gesagt: "Kein Fall."

Dabei hatte sich Klasnic auch bei Udo Jesionek, dem Präsidenten des Weißen Rings, erkundigt. Nun sagt sie dossier.at, Jesionek habe sie erst nachträglich über die zwölf Meldungen informiert. Nachbaur macht ein "Kommunikationsproblem" aus. Schließlich kümmere sich der Weiße Ring als Einrichtung nicht selbst um Fälle von sexuellem Missbrauch. Die Meldungen seien beim Opfernotruf, den der Weiße Ring betreibt, eingegangen und dann sofort an diverse zuständige Stellen weitergeleitet worden.

Werdeniggs Dokumentation

Die ebenfalls vom ÖSV betraute Psychotherapeutin Martina Leibovici-Mühlberger hatte nicht mit Betroffenen, aber mit Athletinnen und Athleten sowie Trainern Tiefeninterviews geführt und daraus, was Missbrauch angeht, "auf ein weitaus geringeres Vorkommen als üblicherweise vorkommend geschlossen".

Dem steht gegenüber, dass nicht nur beim Opfernotruf des Weißen Rings, sondern auch bei der Plattform #WeTogether, die Nicola Werdenigg und die Psychologin Chris Karl gegründet hatten, Meldungen eingingen. Werdenigg, an die sich viele Betroffene auch persönlich wandten, hat wie berichtet 43 Meldungen zu Übergriffen im Sport, davon 35 im Skisport, dokumentiert. (Fritz Neumann, 5.7.2018)