Tirols Landeshauptmann Günther Platter warnt bereits vor "gewaltigen Folgen", sollten die Grenzen geschlossen werden.

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Es ist fast so etwas wie eine Neuverfilmung, nur mit anderem Setting und anderen Darstellern. Mitte September 2016 war Slowenien wenig erfreut über die Ankündigung seines nördlichen Nachbarn, künftig verstärkt Asylwerber über die Grenze zurückzuschieben. Österreichs Ankündigung, die sogenannte Notverordnung wirken zu lassen, wenn die "Obergrenze" von 37.500 Asylanträgen erreicht sei, ließ Slowenien aktiv werden: Die Regierung in Ljubljana kündigte eine verstärkte Überwachung der Südgrenze an und forderte ein Treffen mit der österreichischen Regierung. Und dann? Passierte nichts. Der schwarze Innenminister konnte den roten Kanzler nicht restlos für sein Vorhaben begeistern.

"Bewerten, was das genau heißt"

Im Sommer 2018 spielt sich also Ähnliches ab, nur eben weiter nördlich. Und in Österreich, wo man die Grenzkontrollenbefürworter in der deutschen Regierung zuvor noch angefeuert hatte, reagiert man heute beleidigt. Am Donnerstag wird ein klärendes Treffen der Bundesregierung mit dem deutschen Innenminister Horst Seehofer stattfinden. Danach, so Kanzleramtsminister Gernot Blümel am Mittwoch, werde man "bewerten, was das genau heißt" – und allenfalls Schritte ergreifen.

Dass Österreichs einstiger Notverordnungsplan nicht realisiert wurde, mag auch daran gelegen sein, dass das Vorhaben europarechtlich heikel und die Zahl der Grenzübertritte sowieso vergleichsweise niedrig war. An beiden Umständen hat sich bis heute nichts geändert.

Sollte es tatsächlich zu systematischen, dauerhaften Grenzkontrollen kommen, stellen sich also dieselben Probleme wieder ein. Die Kontrollen spießen sich gleich mehrfach mit EU-Recht. Einerseits sieht der Schengener Kodex Grenzkontrollen nur unter bestimmten Bedingungen und nur in zeitlich begrenztem Rahmen vor. Permanente Grenzkontrollen sind in der EU nicht möglich.

Massenhafte Zurückweisungen von Bayern aus nach Österreich verletzen aber auch die Dublin-Verordnung. Sie sieht vor, dass jener Mitgliedsstaat, in dem ein Asylwerber zum ersten Mal EU-Boden betreten hat, für dessen Asylverfahren zuständig ist. Die Klärung, welches Land zuständig ist, dauert oft länger – auch, weil es mehrere Ausnahmen von diesem Erstlandprinzip gibt. Zum Beispiel dürfen jene, die enge Familienangehörige in einem anderen EU-Staat haben, ihr Asylverfahren dort abwarten.

Wenn Deutschland oder Österreich Betroffene trotz Asylantrags nun einfach ins nächste Land zurückschieben, verstoßen sie damit gegen die Verordnung.

Ethnisches Profiling

Problematisch sind die Kontrollen aber nicht nur für jene, die über die Grenze zurückgewiesen werden. Es gebe ein hohes Risiko, dass dabei ethnisches Profiling betrieben werde, sagt Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte in Berlin. "Es ist bei solchen Kontrollen ja nie so, das alle kontrolliert werden. Die Polizei hält vielmehr nach Menschen Ausschau und nimmt selektive Kontrollen vor", sagt Cremer. Im Bereich der Migrationskontrolle ist es naheliegend, dass die Polizei dabei auf Merkmale wie Hautfarbe oder Gesichtszüge zurückgreift. Racial Profiling ist für die Betroffenen nicht nur erniedrigend und verletzend, es ist auch menschenrechtswidrig.

Mit "gewaltigen Folgen" für Tirol rechnet hingegen Landeshauptmann Günther Platter, wenn durch die Grenzblockaden massenhaft Touristen und Frächter an der Weiterreise gehindert werden.

Im Nationalrat war der Grenzstreit am Mittwoch ebenfalls Thema. Listengründer Peter Pilz kritisierte in einer dringlichen Anfrage den "antieuropäischen Ratsvorsitz" der Bundesregierung. Kanzler Sebastian Kurz wies dies zurück: Der jüngste EU-Gipfel habe eine Trendwende gebracht. (Maria Sterkl, 4.7.2018)