Natürlich will und muss Horst Seehofer heute, Donnerstag, bei seinem Besuch in Wien gut Wetter machen. Schließlich gilt es die Österreicher, die künftig mehr Flüchtlinge zurücknehmen sollen als bisher, gnädig zu stimmen. In welcher Funktion fährt er eigentlich nach Wien? Als CSU-Chef oder als deutscher Innenminister? Darüber sollte am Mittwoch Seehofers Sprecherin Eleonore Petermann Auskunft geben.
Was wie eine Haarspalterei klingt, hat jedoch einen ernsten Hintergrund. Als Innenminister kann Seehofer eigentlich nicht in Wien verhandeln. Es gibt bisher – was die geplanten Transitzentren betrifft – nur eine Abstimmung zwischen CDU und CSU, aber keine Regierungslinie, die Seehofer in Österreich darlegen kann.
Petermann formulierte Seehofers Mission für Wien daher so und dämpfte auch gleich die Erwartung an eine rasche Lösung: "Es geht nicht um den Abschluss von Gesprächen, sondern um Gespräche zur Herbeiführung von Vereinbarungen." Eine solche Herbeiführung einer Vereinbarung braucht Seehofer allerdings nicht nur in Wien, sondern auch in Berlin. Nach wie vor ist unklar, ob der Koalitionspartner SPD Transitzentren mitträgt.
Es wird keine leichte Entscheidung für die SPD. In bester Erinnerung ist, wie sie sich seit 2015 immer wieder gegen Transitzonen ausgesprochen hat. Die CDU und CSU stießen auf erbitterten Widerstand der Sozialdemokraten, schließlich wurde die Idee fallengelassen.
Sozialdemokraten in der Zwickmühle
So teilte die SPD-Fraktion am 6. November nach einem Koalitionsgipfel 2015 mit: "Keine Haftlager an der Grenze, kein Zaun. (...) Die CSU-Forderung nach Transitzonen ist vom Tisch." Und Lars Klingbeil, heute SPD-Generalsekretär, twitterte in jenen Tagen: "Gut, dass es keine Transitzonen gibt."
Auch heute noch ist die SPD von der Idee wenig angetan. Sie weiß aber: Wenn Seehofer seine Transitzentren nicht bekommt, dann weist er Flüchtlinge an der Grenze ab, düpiert Kanzlerin Angela Merkel, die ihn entlassen müsste, die Koalition würde brechen. Die SPD will also nicht diejenige sein, die hier einen Domino effekt auslöst, der letztendlich doch zu Neuwahlen führen könnte. Aber "umfallen" und ihre Überzeugungen verraten will sie auch nicht.
Also hat Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles nun eine rote Linie gezogen, und diese lautet: ""Keine nationalen Alleingänge, rechtsstaatliche Verfahren müssen eingehalten werden, geschlossene Lager lehnen wir ab." Von Seehofer fordert sie bis zum nächsten Treffen im Koalitionsausschuss am Donnerstagabend Präzisierung: "Seit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags am 12. März hat sich in der Flüchtlingsfrage keine neue Sachlage ergeben. Wer darüber hinausgehende Vorschläge hat, muss diese vorstellen, begründen und mit dem Koalitionspartner abstimmen."
Seehofer ist mittlerweile ein bisschen ins Detail gegangen. Er will Flüchtlinge in den Zen tren maximal zwei Tage festhalten. "Das ist ein Aufenthalt, der längstens 48 Stunden dauern kann nach unserem Grundgesetz", sagte er und widersprach Vorstellungen von Internierungslagern: ""Es ist weder eine Haft, noch ist da von Stacheldraht oder Ähnlichem die Rede."
Sein Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) sieht es so: "Transitzentren sind keine Gefängnisse. In den Zentren kann sich jeder frei bewegen, raus darf aber niemand." Replik von Juso-Chef Kevin Kühnert via Twitter: "Knast mit Hofpause quasi. Das Konzept gibt es in Deutschland schon. Es heißt Gefängnis. Geflüchtete sind aber keine Straftäter."
Ungarns Orbán bei Merkel in Berlin
Merkel empfängt unterdessen am selben Tag Ungarns Regierungschef Viktor Orbán in Berlin. Das Verhältnis zwischen der deutschen Kanzlerin und dem Rechtspopulisten ist eisig. Seit Februar 2015 hatte sich Merkel in Budapest nicht mehr blicken lassen. Schon damals hatte sie sich dem Demokratieabbau, den Orbán in seinem Land beharrlich vorantreibt, distanziert. Auch im Merkel-Seehofer-Streit hatte Orbán offen die Partei des Bayern ergriffen.
Schon nach dem EU-Gipfel vergangenes Wochenende bereitete der Ungar Merkel viel Kummer. Als sie die Zusagen von 14 Ländern, darunter Ungarn, erwähnte, mit Berlin Rückführungsabkommen zu schließen, fiel ihr Orbán in den Rücken. Mit Ungarn gebe es ein solches Abkommen nicht, sagte er. Dabei hatte Merkel lediglich erklärt, dass es von den 14 Ländern politische Zusicherungen gegeben habe, derartige Abkommen künftig auszuverhandeln. Schließt Orbán das wirklich aus? Am Mittwoch machte er seine Position bekannt, die er schon am Vorabend per Telefon Sebastian Kurz dargelegt hatte. "Zuerst muss es ein Abkommen zwischen Deutschland und Österreich geben." (4.7.2018)