Syrische Luftschläge gegen Rebellen bei der Stadt Deraa, in der 2011 der Aufstand gegen Bashar al-Assad begann. Das Regime ist dabei, nun auch Südsyrien zurückzuerobern.

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Seit 19. Juni läuft die Militäroffensive der syrischen Armee und ihrer Elite- und ausländischen Hilfstruppen, mit der nun auch Südsyrien unter die Kontrolle von Damaskus zurückgebracht werden soll. Zentrum der Kämpfe ist der Osten der Provinz Deraa: In deren Hauptstadt waren 2011 die ersten Proteste gegen das Assad-Regime im Kontext des Arabischen Frühlings ausgebrochen. Geschätzte 70 Dörfer sollen bereits von Rebellen und Jihadisten an die Regimetruppen gefallen sein. Dafür gab es russische Luftunterstützung, die zu einer massiven Flüchtlingsbewegung beigetragen hat. Zehntausende Menschen sitzen an der israelischen und der jordanischen Grenze fest, insgesamt sind Hunderttausende auf der Flucht.

Das Institute for the Study of War (ISW) in Washington beschuldigt Russland, mit den Luftschlägen bewusst eine humanitäre Katastrophe herbeizuführen, um die Rebellen dazu zu zwingen, lokale "Versöhnungs" -Deals anzunehmen. Das haben schon etliche Dörfer getan. Die Arrangements laufen auf eine Kapitulation hinaus. Beim – gescheiterten – Versuch in den vergangenen Tagen, eine generelle Waffenruhe auszuhandeln, waren die Forderungen der Rebellen an das Regime jedoch ebenfalls sehr hoch.

Einstige Deeskalationszone

Syrien und Russland wird vorgeworfen, mit ihrer Offensive die Vereinbarung mit den USA und Jordanien zu brechen, mit der im Juli 2017 in Südsyrien eine "Deeskalationszone" eingerichtet wurde. Es kommt die alte Ambiguität zum Tragen, die in die Abmachung eingebaut ist: Die Bekämpfung von "Terroristen" ist demnach ja weiter erlaubt, und dieses Recht beansprucht das Regime mit russischer Unterstützung. Und selbstverständlich befinden sich in dem Gebiet nicht nur die vielzitierten "gemäßigten Rebellen", sondern auch Jihadisten.

Russland will die Offensive wohl erledigt haben, bevor Präsident Wladimir Putin am 16. Juli in Helsinki Donald Trump trifft. Der US-Präsident wird dort von Putin hören wollen, dass Russland versucht, den Iran in Syrien – und vor allem in der Nähe der israelischen Grenze – in die Schranken zu weisen. Am 11. Juli fährt Israels Premier Benjamin Netanjahu in dieser Sache wieder einmal nach Moskau.

Die Hinweise sind ja nicht neu, dass sich die USA und Israel damit abfinden, dass das Assad-Regime bleibt: Zvi Bar'el schreibt in Haaretz, dass zumindest Netanjahu und Analytiker die ganzen Jahre über eigentlich das syrische Regime weiter als das geringere Übel angesehen haben. Die Forderung Israels an Assad lautet nun, dass er bei seiner Offensive die nach dem Jom-Kippur-Krieg 1974 getroffenen Entflechtungsvereinbarungen zwischen Syrien und Israel respektiert und nicht die Linie in das von der UNDOF (UN Disengagement Observer Force) kontrollierte Gebiet überschreitet.

Israel leistet seit Jahren humanitäre Hilfe an der Grenze, auch aktuell. Aus der Tatsache, dass nicht nur Zivilisten, sondern auch Anti-Regime-Kämpfer in israelischen Krankenhäusern behandelt wurden, leitet sich zum Teil die – auch von Irans Präsident Hassan Rohani in Wien vorgetragene – Behauptung ab, dass Israel den "Islamischen Staat" (IS) in Syrien unterstützt habe (wobei ja die Verschwörungstheoretiker darüber hinaus überhaupt wissen wollen, dass Israel den IS kreiert hat).

Puffer jenseits der Grenze

Die relativ einfache Realität war, dass Israel an einem gewissen Punkt des Konflikts Interesse an einer von Rebellen gehaltenen Pufferzone jenseits der Grenze hatte. Wer diese Leute waren, war zweitrangig.

Sieben Jahre nach Ausbruch des Konflikts ist aber klar, dass das Assad-Regime an die Entflechtungslinie zurückkehren wird. Die verbliebenen Rebellen sind höchstens noch ein Druckmittel gegen Assad, das die USA und Israel nicht völlig verlieren möchten. Russland hingegen steht auf folgendem Standpunkt: Wenn die USA und Israel von Assad erwarten, dass er auf die Hilfe der Hisbollah und des Iran verzichtet, dann müssen sie sich ihrerseits eindeutig, und nicht nur im Stillen, mit der Idee versöhnen, dass er an der Macht bleibt.

Dabei wird sichtbar, dass Russland vor seinem militärischen Abzug wieder Ordnung herstellen will: Moskau macht Druck auf Assad, die paramilitärischen Verbände, die in den letzten Jahren die syrische Armee beinahe ersetzt haben, aufzulösen. Sitzt Assad wieder ganz im Führersitz, dann braucht er auch den Iran und die Hisbollah nicht mehr. So etwas Ähnliches wird Putin Trump in Helsinki wohl nahezubringen versuchen. (Gudrun Harrer, 5.7.2018)