Die Hoffnung, dass Smartwatches mit der Veröffentlichung der Apple Watch massentauglich werden, hat sich bis dato nicht erfüllt. Eine Reihe von Herstellern, darunter auch Android-Uhren-Pionier Motorola, hat sich mittlerweile wieder verabschiedet. Ein paar sind aber immer noch dabei.

Recht neu im Geschäft ist auch das Unternehmen Amazfit, das unter dem Dach von Xiaomi operiert. Bisher konzentrierte man sich auf Fitnessarmbänder, mit der Bip Watch folgte vor einigen Monaten die erste richtige Uhr. Der STANDARD hat das Gadget einem Langzeittest unterzogen.

Foto: derStandard.at/Pichler

Bekanntes Design, gute Verarbeitung

Das Design der Uhr weckt Erinnerungen. Denn es erinnert an die Apple Watch und natürlich auch manche andere Smartwatches, die der Viereckigkeit fröhnen. Während man für die Geräte von Apple und Co. allerdings dreistellige Beträge ausgeben muss, ist dieses Exemplar für rund 70 Euro zu haben.

Bei der Verarbeitung merkt man den Preisunterschied nicht. Die Fassung ist aus wertigem Polycarbonat, das seitlich abgerundete Glas kratzfest. Die Uhr ist nach IP68 zertifiziert, ist also staubdicht und kann dem Eindringen von Süßwasser auf bis zu 1,5 Meter Tiefe 30 Minuten lang widerstehen. Regen, Händewaschen, Duschen und kurzes Abkühlen im See stellten auch im Test kein Problem dar. Tauchgänge sollte man freilich unterlassen. Amazfit rät auch offiziell davon ab, mit dem Wearable Schwimmen zu gehen.

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Display und Sensoren

Das hintergrundbeleuchtete Farbdisplay ist touchfähig und bietet eine Diagonale von 1,28 Zoll und eine Auflösung von 176 x 176 Pixel. Dieses ist ausreichend blickwinkelstabil und lässt sich in den meisten Situationen gut ablesen, lediglich bei starkem Sonnenschein stellen Spiegelungen ein Problem dar. An der Seite des Gehäuses liegt ein runder Knopf, der sich ausschließlich drücken, aber nicht drehen lässt. Er dient zur Sperrung und Entsperrung des Bildschirms und als "Zurück"-Button in der Navigation.

Die Ausstattung ist für eine Smartwatch dieser Preisklasse umfangreich. Mit einem optischen Sensor lässt sich der Puls erfassen. Mittels GPS, Barometer und geomagnetischem Sensor können auch Standort, Luftdruck, Höhe und Himmelsrichtung bestimmt werden. Und natürlich werden auch Schritte gezählt. Via Bluetooth 4.0 LE verbindet sich die Uhr mit dem eigenen Smartphone. Am Besten versteht sie sich mit Xiaomis Mi Fit-App. Das Fitnesstool von Amazfit selbst unterstützt die Bip Watch nicht.

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Konditionsstarker Akku

Als großes Plus betont der Hersteller auch die Akkulaufzeit. Der 190 mAH-Energiespeicher soll bis zu 45 Tage Betrieb ermöglichen. Das gilt freilich aber nur, wenn man das GPS praktisch nicht verwendet. Bei kontinuierlichem Tracking werden 22 Stunden angegeben. Verwendet man die Ortung ein bis zwei Mal zur Nachverfolgung von Laufrouten (von je etwa einer Stunde), sind drei Wochen Laufzeit realistisch. Kommt man ohne GPS aus und empfängt nur Notifications und Anrufe auf der Uhr, so geht sich auch ein Monat gut aus.

Ist der Akku einmal leer, soll er über den mitgelieferten Adapter in 2,5 Stunden wieder vollständig aufgefüllt werden können – in der Praxis waren es rund drei Stunden. Die lange Laufzeit macht die Bip Watch freilich für alle Nutzer interessant, die keine Lust haben, ihre Uhr alle paar Tage aufzuladen.

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Kein wearOS, Fokus auf Laufsport

Für die Ausdauer muss man aber auch einige Einschränkungen in Kauf nehmen. Die Uhr ist nicht mit zusätzlichen Apps erweiterbar und verwendet auch nicht Googles wearOS, sondern eine eigene Entwicklung. Man liefert unregelmäßig Updates, die beim Aufruf von Mi Fit automatisch eingespielt werden. Da dieser Prozess relativ langwierig (rund zehn bis 15 Minuten) ist, ist es ärgerlich, dass er sich nicht einfach stoppen oder verschieben lässt.

Die Auswahl an "Watchfaces" (die Standardanzeige, wenn sie im Standby ist) ist recht limitiert, was sich aber etwas umständlich mit verschiedenen Apps im Play Store ändern lässt. Ebenfalls nicht sehr komfortabel erreichbar ist die in Mi Fit versteckte Konfiguration für App-Benachrichtigungen und die Annahme von Anrufen. Die Übermittlung von Notifications funktioniert gut, Antworten können über die Uhr aber nicht getippt oder aufgenommen werden.

In der Standardkonfiguration muss für die Beleuchtung des Displays der Knopf gedrückt werden. Damit wird auch der Touchscreen aktiviert. Wer will, kann die Uhr aber auch so konfigurieren, dass sich die Beleuchtung automatisch beim Anheben des Handgelenks einschaltet, wobei der Touchscreen dadurch nicht in Betrieb genommen wird. Diese Komfortfunktion, die sich auch auf eine bestimmte Tageszeit einschränken lässt, vermindert allerdings die Akkulaufzeit etwas.

Der Fokus liegt bei der Bip Watch auf Sport. Vier Aktivitäten können gezielt erfasst werden: Gehen/Wandern, Outdoor-Laufen, Laufen am Laufband und Fahrradfahren. Das Tracking kann mit wenigen Eingaben gestartet werden. Man kann von der Uhr per Vibration auf selbst gesteckte Limits zu Geschwindigkeit, Puls und Distanz aufmerksam gemacht werden. Gleiches gilt auch für das tägliche Schrittpensum. Das GPS-Modul braucht etwas länger, um seine Erstposition zu finden, bietet dann aber recht genaue Nachverfolgung. Genauere Analysen der sportlichen Leistung kann man dann in Mi Fit vornehmen.

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Schlaftracking und Basis-Apps

Mittels der Daten der Uhr wird auch der Schlaf analysiert. Eine Leiste informiert über die Aufteilung in leichte und tiefe Schlafphasen. Die Uhr erkennt auch Einschlaf und Aufwachzeit. Wer kürzere Nächte verbringt oder sehr spät zu Bett geht erhält mehr oder weniger hilfreiche Tipps.

Damit erschöpft sich der Funktionsumfang weitestgehend. Wer möchte, kann sich einen Vibrationswecker stellen oder die Bip Watch als Stoppuhr bzw. Timer verwenden. Auch eine Wetteranzeige ist möglich, die Daten besorgt sich die Uhr allerdings über das gekoppelte Handy.

Allergieprobleme mit dem Armband

Die Smartwatch kommt im Verbund mit Ladegerät und einem Armband aus silikonartigem Material. Letzteres sorgte beim Test wortwörtlich für Irritiationen. Im kühlen März gab es keine Probleme, dafür allerdings an den warmen Tagen im April. Durch Schweißentwicklung wurden offenbar Substanzen aus dem Band gelöst, die allergische Reaktionen in Form eines (schmerzfreien) Ausschlags und Ablösung der obersten Hautschicht verursachte.

Eine Anfrage bezüglich der Inhaltsstoffe des Bandes blieb leider unbeantwortet. Es dürfte sich aber um ein individuelles Allergieproblem handeln, denn es gab bislang keine massenhaften Meldungen über ähnliche Symptome bei Besitzern der Uhr.

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Immerhin: Das Problem war leicht zu lösen. Die Bip Watch nutzt den federgestützten Standard-Anschluss für Armbänder mit einer Breite von 14 Millimetern. Diese können einfach von anderen Uhren abmontiert oder online und im Einzelhandel gekauft werden. In diesem Falle ist nun ein Metallarmband mit Magnetverschluss im Einsatz, das keine Hautprobleme verursacht.

Fazit

Die Amazfit Bip Watch ist eine sehr gute Smartwatch für alle, denen grundlegender Funktionsumfang mit Fokus auf Sport ausreicht. Sehr starke Argumente, besonders für Laufsportler, sind auch das integrierte GPS, die weiteren Sensoren sowie die gute Akkulaufzeit.

Wer auf seiner Uhr Spracheingabe benötigt oder Zusatzapps wie Google Maps nutzen will, ist hier allerdings falsch. Wer potenziell allergisch auf Stoffe in Silikonarmbänder reagiert, sollte außerdem auch ein anderes Uhrband anschaffen. In Summe ist die Bip Watch in ihrer Preisklasse derzeit kaum zu schlagen. (Georg Pichler, 01.09.2018)