Auch für Europa ist die Eskalation des Handelskonflikts mit großen Gefahren verbunden.

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Das Geplänkel ist zu Ende, die erste Schlacht wird nun geschlagen: Freitag verhängen die USA 25 Prozent Strafzölle auf 818 Produkte aus China, die um 34 Milliarden Dollar (29 Milliarden Euro) in die USA exportiert wurden.

Nur wenige Stunden danach hat Peking wie angekündigt Gegenzölle verhängt. "Die chinesischen Maßnahmen sind mit sofortiger Wirkung in Kraft", teilte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Freitag mit. Einzelheiten nannte er noch nicht.

Die USA hätten "den größten Handelskrieg in der Wirtschaftsgeschichte" eingeleitet, sagte ein Sprecher des Handelsministeriums. Das ist eine deutliche Eskalation gegenüber den bisherigen Strafzöllen zwischen den USA, China und der EU, die Importe im einstelligen Milliardenbereich betrafen. Doch das, warnen Experten, dürfte erst der Anfang einer großen Eskalationsspirale sein, die bis zu einer Billion Dollar (850 Milliarden Euro) an Importen berühren könnte. Das wären rund sechs Prozent des gesamten Welthandels. Das sind die gefährlichsten Szenarien:

1. Der Handelskrieg zwischen USA und China eskaliert

US-Präsident Donald Trump hat klargemacht, dass er nicht tatenlos zusehen wird, wenn China Vergeltung übt; schließlich ist er überzeugt, dass Peking den Konflikt mit einer unfairen Handelspolitik begonnen hat. Er hat die Erstellung einer Liste weiterer chinesischer Produkte angeordnet, die mit einem Zehn-Prozent-Zoll belegt werden sollen. Dies soll für 200 Milliarden Dollar an Importen gelten, und übte China erneut Vergeltung, kämen weitere 200 Milliarden dazu. Das wäre der Großteil der chinesischen Exporte in die USA im Vorjahr, die 500 Milliarden Dollar betrugen; aus den USA gingen 130 Milliarden Dollar nach China.

Im Handelsstreit zwischen den USA und China geht es auch um Technologie – Washington wirft Peking systematische Spionage und Diebstahl vor – sowie um Direktinvestitionen: Während chinesische Konzerne sich relativ frei in den USA und der EU einkaufen können und dafür auch staatliche Förderungen erhalten, mit denen sie sich Zugang zu westlichem Know-how sichern, existieren in China hohe Hürden für Investoren. Hier will Trump selbst Schranken für Übernahmen und Beteiligungen errichten.

2. Trump verhängt Strafzölle auf Autoimporte

Während China im Fokus der US-Politik steht, liegen auch in Europa die Nerven blank. Als Antwort auf die EU-Vergeltung auf die amerikanischen Stahl- und Aluminiumzölle hat Trump gedroht, im Namen der nationalen Sicherheit alle Automobilimporte zu besteuern. Das würde vor allem Deutschland treffen – und indirekt damit auch Österreich. Dass so viel mehr BMWs auf US-Straßen fahren als Chevrolets auf deutschen, macht Trump zornig. Dass die deutschen Konzerne zumeist in den USA produzieren lassen, ignoriert er geflissentlich. Selbst Amerikas Autoriesen fürchten sich vor solchen Zöllen. Sollte Trump dies wahrmachen, wären mehr als 300 Milliarden Dollar an Importen betroffen – und bei voller Vergeltung bis zu 650 Milliarden Dollar im weltweiten Handel. Warum Autoimporte Amerikas nationale Sicherheit gefährden, konnte übrigens noch niemand schlüssig erklären.

3. Die USA steigen aus Nafta aus

Die größten Handelspartner der USA sind Kanada und Mexiko, auch dank des Freihandelsabkommens Nafta, das Trump neu verhandeln möchte. Er bezeichnet den 24 Jahre alten Vertrag gerne als schlechtesten Handelsdeal aller Zeiten. Bisher treten diese Verhandlungen auf der Stelle: Kanada und Mexiko wehren sich vor allem gegen eine zeitliche Beschränkung des zollfreien Zugangs zum US-Markt, denn das würde Investitionen in Fertigungsstätten unattraktiv machen. Sollte Trump aus dem Nafta-Abkommen einfach aussteigen, wie er es mehrmals angedroht hat, wären 1,1 Billionen an Handelsströmen in Gefahr. Für einen Großteil der US-Industrie, der Trump ja helfen will, wäre dies eine Katastrophe. Fast alle Sektoren sind von grenzüberschreitenden Lieferketten abhängig, ganz besonders die Automobilindustrie. Die Wahl des Linkspopulisten Andrés Manuel López Obrador zum neuen Präsidenten Mexikos wird die Gespräche nicht einfacher machen, und auch bei Kanadas Premier Justin Trudeau ist der Wille, Trump entgegenzukommen, seit dem Eklat beim G7-Gipfel abgeflaut.

4. Die US-Wirtschaft gerät unter die Räder

Die Proteste gegen Trumps Handelspolitik kommen vor allem aus dem Ausland, aber die Auswirkungen bekommt am stärksten die US-Industrie zu spüren. Trump will nicht, dass die Preise für Verbraucher im Supermarkt steigen, deshalb finden sich vor allem halb fertige Güter auf den Strafzolllisten. Aber die machen die Produktion anderer Waren teurer. Stahl- und Aluminiumzölle treiben die Kosten für Auto- und Maschinenbauer in die Höhe, und Zeitungsverlage leiden unter hohen Abgaben auf kanadisches Rotationspapier. Amerikanische Ersatzprodukte sind oft nicht verfügbar, und wenn ja, zu höheren Preisen oder schlechterer Qualität. Die Vergeltungszölle treffen wiederum US-Kultmarken wie Harley-Davidson, aber auch zahlreiche Bauern. Eine weitere Eskalation könnte die US-Wirtschaft in eine Rezession treiben, auf die Trump dann wohl mit weiteren Handelsschranken reagiert. Denn für ihn sind Importe stets die Wurzel des Übels. (Eric Frey, 6.7.2018)