London – Einige Wissenschafter hatten bisher spekuliert, dass der Hund in Nordamerika unabhängig vom Rest der Welt domestiziert wurde. Diese ohnehin schon umstrittene These konnte nun vollends widerlegt werden: Umfangreiche genetische Analysen ergaben, dass die Einwanderer aus Asien den Hund mitgebracht haben, als sie gegen Ende der letzten Kaltzeit in mehreren Wellen über die Landbrücke Beringia von Ostsibirien zunächst nach Alaska und dann weiter in den Süden vordrangen.

Bei der von einem Team um Laurent Frantz von der Queen Mary University of London im Fachjournal "Science" präsentierten Arbeit handelt es sich um die erste umfassende Genuntersuchung von amerikanischen Hunden aus prähistorischer Zeit. Im Fokus standen sowohl Kern-DNA, die von beiden Elternteilen weitergegeben wird, als auch mitochondriale DNA, die nur von den Muttertieren an die Nachkommen vererbt wird.

Über 70 prähistorische Überreste von Hunden wurden miteinander verglichen. Im Bild: Ein Jahrtausende altes Hundegrab nahe Brooklyn im US-Bundesstaat Illinois.
Foto: Illinois State Archaeological Survey

Schlittenhunde aus Ostsibirien

Aus dem Vergleich der Gene aus Überresten von insgesamt 77 Hunden aus Nordamerika und Sibirien – die älteste von ihnen reichen rund 9.000 Jahre zurück in die Zeit – konnten die Forscher schließen, dass der Hund, eine Schlittenhunde-Rasse, mit hoher Wahrscheinlichkeit an der Seite des Menschen aus Ostsibirien in die Neue Welt eingewandert ist. Dabei dürfen sich die Vierbeiner sogar recht schnell über den gesamten Doppelkontinent ausgebreitet haben – heute allerdings ist von diesen ersten amerikanischen Hunderassen praktisch keine genetische Spur mehr vorhanden.

"Das weist darauf hin, dass etwas Katastrophales geschehen sein muss, und es hat offenbar mit der Kolonisierung durch die Europäer ab dem 15. Jahrhundert zu tun", meint Frantz. "Was genau geschehen ist und die ursprünglichen Hunde zum Verschwinden brachte, lässt sich vorerst aber nicht sagen."

Die Wissenschafter untersuchten genetisches Material von insgesamt 77 Hunden aus Sibirien und Amerika. Die Karte zeigt die Fundorte und das Alter der analysierten Überreste.
Foto/Grafik: Julie McMahon / Angus McNab

Krebsgene als einziges Erbe

Die Funde untermauert die These, dass die ersten Menschen Amerikas und ihre Hunde bei der Ankunft der Europäer mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten. Während jedoch zumindest ein Teil der Ureinwohner Krankheiten, Landverlust und Genozid überlebten, hatten ihre Hunde weniger Glück: Sie wurden von den europäischen Rassen mehr oder wenige restlos verdrängt.

Der einzige entdeckte Überrest früher amerikanischer Rassen im Genom moderner Hunde ist die Signatur eines erblichen Tumors. Den Resultaten zufolge stammt diese Krebsvariante von einem amerikanischen Vierbeiner ab, der vor etwa 8.000 Jahren lebte. (tberg, 8.7.2018)