Gastgeberin Maschi bei den Vorbereitungen des Schabbat-Schmauses am Donnerstag davor.

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Nicht immer wird für Gefilte Fisch tatsächlich Fisch gefüllt. Maschi serviert den faschierten Karpfen in erkaltetem, gelierten Sud.

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Tscholent: Der klassische aschkenasische Eintopf fürs Schabbatfestmahl.

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Gemeinsam Essen mit Wildfremden: Das ist das Geschäftsmodell einer Internet-Plattform.

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Es ist Schabbat in Wien, und der Tisch biegt sich. Gast geberin Maschi bringt Gefilte Fisch, das bekannte Feiertagsgericht der aschkenasischen Juden, in ihr Esszimmer. Dort sitzen Wildfremde und warten auf den faschierten Karpfen. Die haben bereits vom Eiersalat gekostet, von der gehackten Leber, dem Bohneneintopf Tscholent und einem guten Dutzend weiterer Köstlichkeiten.

Variante der Weltküche

Man könnte sich eine leichtere Mahlzeit vorstellen für diesen heißen Samstag im Sommer, doch das hat schon alles seine Richtigkeit. Was die meisten Menschen mit "typisch jüdischer Küche" verbinden – Hummus, Falafel und Co –, repräsentiert lediglich die mediterrane Variante dieser Weltküche. Die deftige Kost der Aschkenasim dagegen, also die Küche der mittel- und osteuropäischen Juden, kennen hierzulande wenige. In Wien wird sie auch nur selten in Lokalen angeboten. Aber warum ist das so? Es sind doch aschkenasische Gerichte, die seit Jahrhunderten eng mit der Wiener Küche verbandelt sind ...

Über Widersprüche wie diesen plaudert Maschi gerne beim gemeinsamen Essen in ihrer Wohnung am Schwedenplatz. Manche kommen auch nur zu der 58-jährigen Wienerin – an diesem Schabbat sitzen sieben Leute am Tisch –, um die hervorragende Hausmannskost zu genießen und die Gastgeberin zu fragen, was einem nicht koscher vorkommt an der koscheren Küche.

Viele Fragen bei Tisch

"Warum genügt Honig den Grundsätzen der jüdischen Speisengesetze, obwohl er von Insekten stammt? Die Tiere selbst sind für den Verzehr tabu", wirft etwa eine ältere jüdische Dame aus Wien bei Tisch ein. Alle anderen Gäste suchen nach einer Erklärung.

Nikola wiederum holt sich von Maschi Ezzes für regionale koschere Rezepte. Sie ist an diesem Tag mit ihrem Mann und dem ältesten Sohn zu Gast, weil sie zum Judentum konvertieren will und Maschi deshalb mit Fragen löchert. Vor allem eine Frage stellt sich aber an diesem Tisch: Wie treffen Menschen, die ein ander nicht kennen, bei einem Schabbatessen aufeinander?

"Authentisch" essen

Die Plattform eatwith.com ist mit dem Versprechen gegründet worden, "Reisenden authentisches Essen mit Einheimischen" zu vermitteln. Der Dienst funktioniert wie Airbnb: Man meldet sich an, sucht sich einen Anbieter aus und bezahlt einen fixen Preis an den Vermittler – im Fall von Maschi sind das 51 Euro pro Person für ein Festmahl, das sie nicht nur wegen der Schabbatgesetze schon seit Donnerstag vorbereitete. Ihre Gerichte sind äußerst aufwendig.

Die Grundidee von Eatwith sieht so aus: Ein Franzose, der nach Wien reist, checkt dort privat zum Tafelspitzessen ein; und der Österreicher, der ein paar Tage in Valencia verbringt, kann von Spaniern lernen, wie man die perfekte Paella kocht. Zum Glück ist die Welt aber komplexer. Wer zum Beispiel als Wiener auf der Plattform nach Wiener Gastgebern sucht, wird bald bemerken, wie absurd der Begriff "authentisch" ist. Denn natürlich ist es der Gefilte Fisch von Maschi ebenso wie die nigerianisch-österreichische Fusionküche von Sarah oder der Apfelstrudel von Angelika.

Zu fremden Kochtöpfen

Eatwith eignet sich – zumindest in Wien, wo das Angebot klein ist – gut dafür, dass Einheimische bei Einheimischen essen. Spontane Verabredungen während eines Kurztrips scheinen dagegen schwierig, da meist mehrere Leute zusammenkommen müssen, damit das Essen stattfindet. Oft dauert es auch tagelang, bis ein Anbieter auf Anfragen reagiert. Wenn es dann aber klappt, verreist man ohne große Ortswechsel zu fremden Kochtöpfen.

Manche Hobbyköche machen es wie zunehmend Bettenanbieter auf Airbnb: Sie sichern sich durch die Plattform ein fixes Einkommen. Maschi dagegen, die mit ihrem belgischen Mann vor elf Jahren aus Antwerpen nach Wien zurückkam, sieht die Sache entspannt. Sie kocht nicht koscher für andere, um damit einen Reibach zu machen. Wenn dadurch ein kleiner Schmattes übrig bleibt, soll es ihr aber recht sein. "Ich lade höchstens einmal in der Woche zu uns nach Hause ein. Wir essen gemeinsam und reden über alles – alles außer Politik", sagt sie. (Sascha Aumüller, 7.7.2018)