Nach diesem Wochenende ist der Bachmann-Preis 2018 wieder Geschichte. Der Wortkönig oder die Wortkönigin wird ein Jahr regieren und danach das Zepter wieder weiterreichen, vielleicht wie eine Stafette oder auch wie eine heiße Kartoffel: Das Rad des Literatur-Samsara kann Kräfte verleihen und Kräfte rauben.

Die Arena zu betreten braucht sowieso den Mut der Verzweiflung. Und die Kaltschnäuzigkeit, mit der man dem Jüngsten Gericht, das sich dort öffentlich abspielt, begegnen müsste, um keinen Schaden zu nehmen, steht eigentlich im Widerspruch zur Offenheit, Verletzlichkeit und Empfindungsintensität, die beim Schreibprozess nebst der bereits obengenannten Verzweiflung dringend benötigt werden. Daraus wächst Wort als Chronik, als Weltengegenentwurf, als endloses Spiel, als Mahnmal. Die Eröffnungsrede von Feridun Zaimoglu übrigens war in ihrer Direktheit ein Schnitt in die schaumigweiche Verharmlosung, die gern bemüht wird, wenn es um Radikalisierung nach rechts geht. Klare Worte, jedes Wort ein Stich. In die Wunde eines kippenden Verständnisses von dem, was gerade noch, und dem, was nicht mehr geht. Aber ungehindert geschieht.

Festzuhalten ist: Kunstschaffende warnen schon lange. Schreien sich die Kehlen wund und prallen an Ignoranz und Bequemlichkeit und an der Lust, nach unten zu treten, ab.

Ach, ist ja nicht so schlimm. Das bisschen Rassismus. Das Einwengerl Sexismus. Das Quäntchen Rechtsextremismus. Das Tröpfchen Entmenschlichung. Jeder einzelne kleine Schritt führt irgendwann zu einem großen Aufmarsch, jedes kleine Stimmchen zu einem dröhnenden Chor. Dieses Jahr sprach Zaimoglu, und er hatte recht. Nächstes Jahr werden seine Worte wieder vergessen sein, nicht von allen, aber von vielen. Das ist Kassandras Schicksal. Aber auch diese Stafette muss weitergereicht werden. (Julya Rabinowich, 6.7.2018)