Foto: APA/AFP/JANEK SKARZYNSKI

Tausende Polen jubelten der Präsidentin des Obersten Gerichts in Warschau, Malgorzata Maria Gersdorf, zu, als sie diese Woche wie immer zur Arbeit erschien. Denn die 65-Jährige will sich nicht von der polnischen Regierung in den Zwangsruhestand schicken lassen. Gersdorf wird spätestens seither als Heldin der Verfassung, als Retterin der Rechtsstaatlichkeit in Polen gefeiert.

Doch Ende der Woche bekräftigte Polens Justizminister Zbigniew Ziobro die Zwangsmaßnahme: Gersdorf sei pensioniert. Als Oberste Richterin weiß Gersdorf, dass das nicht verfassungskonform ist. Laut Verfassung wird der Erste Präsident des Obersten Gerichts für eine sechsjährige Amtszeit berufen – ohne Altersbegrenzung und auch ohne den Hinweis, dass diese Altersgrenze vom Parlament durch ein eigenes Gesetz festgelegt werden muss.

Die Affinität zu Fragen des Rechts und zu Gerechtigkeit wurden der Warschauerin in die Wiege gelegt. Gersdorf stammt aus einer renommierten Juristenfamilie und ist seit dem Jahr 2000 mit dem ehemaligen Verfassungsrichter Bohdan Zdziennicki verheiratet. Aus erster Ehe hat sie einen heute erwachsenen Sohn, der ebenfalls eine akademische Karriere als Jurist an der Warschauer Universität anstrebt.

Schon 1980 trat sie der Freiheits- und Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc bei, die ein Jahrzehnt später maßgeblich zum Sturz der Kommunisten beitrug. 1981 promovierte sie, im gleichen Jahr, in dem General Jaruzelski das Kriegsrecht über Polen verhängte.

Nach 1989 half sie als Mitglied der Kommission für soziale Aussöhnung ehemaligen politischen Gefangenen der kommunistischen Vorgängerregierung dabei, sich in der nun neuen Welt von Demokratie und Marktwirtschaft zurechtzufinden.

Als Expertin für Arbeitsrecht war Gersdorf von 2003 bis 2005 Mitglied im renommierten Rat für Gesetzgebung, der die Regierung juristisch beriet. 2014 wurde sie – als erste Frau – Präsidentin des Obersten Gerichts. Ein Jahr später übernahm sie noch einen Lehrstuhl an der Fakultät für Recht und Verwaltung der Uni Warschau.

Im Verhältnis zur PiS ließ sie später immer wieder Distanz erkennen. Allerdings bekannte sie in einem Interview auch, dass sie sich mit Expräsident Lech Kaczyński, dem verstorbenen Bruder des aktuellen PiS-Chefs Jarosław Kaczyński immer gern unterhalten habe. Mit Jarosław hingegen gehe das nicht. (Gabriele Lesser, 6.7.2018)