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Bei der Antiterrorrazzia im Vorjahr wurden 14 Terabyte an Daten sichergestellt.

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Wien/Graz – Die Enthaftung von fast allen Terrorverdächtigen, die im Jänner des Vorjahres bei einer großangelegten Razzia in Islamistenkreisen in Wien und in Graz festgenommen worden waren, sorgt für Unmut im Justizministerium. Christian Pilnacek, Generalsekretär und Sektionschef für Strafrecht, spricht auf STANDARD-Anfrage von "schlechter Optik". Wie berichtet hat das Oberlandesgericht (OLG) Graz die Betroffenen als weiter dringend tatverdächtig bezeichnet, aber trotzdem deren Freilassung veranlasst.

Beschleunigungsgebot

Knackpunkt ist das sogenannte Beschleunigungsgebot, das laut Strafprozessordnung vor allem in U-Haft-Fällen "alle im Strafverfahren tätigen Behörden, Einrichtungen und Personen" dazu verpflichtet, "auf eine möglichst kurze Dauer der Haft hinzuwirken". Darauf hatte das OLG während des laufenden Verfahrens mehrmals hingewiesen. Doch "die Staatsanwaltschaft Graz verabsäumte es, den an sie erteilten Aufträgen nachzukommen", heißt es in der Begründung des OLG.

Da half es auch nicht mehr, dass die Oberstaatsanwaltschaft Graz in ihrer Stellungnahme zu den Haftbeschwerden darauf verwies, "dass die Staatsanwaltschaft Graz sich um eine ehestmögliche Enderledigung des Ermittlungsverfahrens bemüht, jedoch die Abschlussberichte des Landesamtes für Verfassungsschutz noch ausständig sind". Nach Informationen des STANDARD mussten (und müssen teilweise noch) nach der Großrazzia mit mehr als 800 Polizeibeamten 14 Terabyte an Daten, die bei Hausdurchsuchungen sichergestellt worden waren, gesichtet und ausgewertet werden.

Meistbeschäftigte Staatsanwaltschaft

Christian Pilnacek aus dem Justizministerium verweist außerdem darauf, dass die Grazer Anklagebehörde die meistbeschäftigte in Österreich sei. Seit geraumer Zeit seien mehrere Großverfahren, wie etwa gegen die Identitäre Bewegung, gegen andere islamistische Terrorverdächtige oder gegen Staatsverweigerer, im Laufen.

Nach den Bestimmungen zur Dauer der Untersuchungshaft können Verdächtige in Österreich maximal zwei Jahre lang inhaftiert bleiben, ohne dass die Hauptverhandlung begonnen wurde. Das gilt allerdings nur bei mutmaßlichen Verbrechen, die mit einer fünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind. Die Vorwürfe gegen die Hauptbeschuldigten in der Terrorcausa fallen in diese schwerste Kategorie. Ihnen wird Mitgliedschaft in der Terrororganisation "Islamischer Staat" angelastet. Sie sollen versucht haben, eine radikal-islamistische Organisation in Österreich aufzubauen und Mitglieder anzuwerben. Laut Strafgesetz (§278b) stehen darauf bis zu zehn Jahre Gefängnis.

Insgesamt waren bei der Großrazzia 14 Personen verhaftet worden, einigen werden nur Handlangerdienste vorgeworfen, sie waren schon früher enthaftet worden. Ein Verdächtiger befand sich am Freitag noch in U-Haft. Alle Beschuldigten weisen die Vorwürfe zurück.

Neue Verhaftungen möglich

Wegen des nach wie vor dringenden Tatverdachts könnten die mutmaßlichen Drahtzieher wieder verhaftet werden. Allerdings dürften sie dann nur für maximal sechs Wochen in U-Haft bleiben. Üblicherweise wird deswegen eine erneute Festnahme erst kurz vor einer Hauptverhandlung durchgeführt. In der Grazer Terrorcausa sind aber weder Anklage noch Prozesstermin in Aussicht. Wenn sich die Beschuldigten erneut einer Straftat verdächtig machen, klicken sofort die Handschellen und Haftfristen beginnen von vorn. (Michael Simoner, 6.7.2018)