Günter Kreissl (44) ist seit Mai 2016 Sportchef bei Sturm.

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Graz/Wien – Günter Kreissl, der geplagte Geschäftsführer Sport von Sturm Graz, hat beschlossen, "keinen Millimeter zu raunzen". Die Alternative wäre, in Agonie zu verfallen, "aber damit gewinnt man keine Fußballspiele". Der Cupsieger und Vizemeister erleidet einen im heimischen Kick noch nie da gewesenen Aderlass, vorläufiger Höhepunkt, vielleicht nicht Schlusspunkt, ist der Wechsel von Deni Alar zurück zu Rapid. Der Stürmer hatte eine Klausel im Vertrag, die ihn für in heutigen Zeiten bescheidene 600.000 Euro von allen Pflichten entbindet. Das wurde noch vor der Ära Kreissl vereinbart. "In Zukunft gibt es so etwas nicht mehr."

Die (unvollständige) Liste der Abgänge irritiert den Sportchef: Alar und Marvin Potzmann zu Rapid, Christian Schoissengeyr, James Jeggo und Bright Edomwonyi zur Austria, Thorsten Röcher nach Ingolstadt. "Sieht man es positiv, ist es ein Beleg für unsere gute Arbeit." Da sich Kreissl aber doch zur aussterbenden Spezies der Fußballromantiker zählt, ist für ihn die Entwicklung eine gefährliche. "Fußball ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Werte und Moral werden unwichtiger." Auch wenn es naiv sein mag, gehe es offensichtlich nur um eins. "Ums Geld. Für Spieler, für Berater, für Manager." Auslöser dieser Entwicklung, die in gemäßigter Form nach Österreich schwappt, war der aberwitzige Transfer von Neymar um 222 Millionen Euro von Barcelona zu Paris. "Nach einem Jahr will er wieder weg. Jegliche Bodenhaftung ging verloren. Die Gier ist ein Hund. Und der Fußball ist ein fragiles Gebilde."

Verzicht auf Ajax

Auf Sturm gemünzt heißt das: "Wir zahlen gut, aber wegen zehn Prozent mehr gehen Leute weg. Wir reden da nicht übers Drei- oder Fünffache. Sie verzichten auf die Qualifikation für die Champions League, auf Partien gegen Ajax." Kreissl ist Rapid nicht böse. "Sie haben sich fair verhalten, vermeldeten sogar, dass sich Potzmann bei Sturm und den Fans bedanken möchte." Die Austria sei nicht ganz so stilvoll gewesen: "Wäre ausbaufähig." Sturm budgetiert mit 13 Millionen Euro, Rapid mit mehr als 30 Millionen, die Austria liegt knapp hinter Hütteldorf. "Damit müssen wir uns abfinden." Rapid kassierte für Verteidiger Lucas Galvao von Ingolstadt kolportierte 2,4 Millionen Ablöse, da kann man Alar locker mit einem Vierjahresvertrag ausstatten.

Kreissl lehnt es ab, von einzelnen Spielern persönlich enttäuscht sein. "Obwohl ich es innerlich bin. Solange sie da waren, haben sie auf dem Platz und in der Kabine Charakter bewiesen." Der 44-Jährige bleibt übrigens fix bei Sturm, obwohl ja auch Sportdirektoren gehandelt werden. "Weil der Verein geil ist. Sturm verkörpert Kampfgeist und Leidenschaft, das gefällt mir, das lebe ich."

Leider sei die Stimmung schlecht, die Vorbereitung gestört. "Obwohl die Testspiele positiv sind. Man kann die äußeren Einflüsse nicht ausblenden. Trainer Heiko Vogel versucht entgegenzusteuern." Kreissl appelliert an die Fans, nicht zu jammern. "Sie müssen eine Jetzt-erst-recht-Mentalität zeigen. Die Werte leben. Es geht ums große Ganze."

Kreissl hat beschlossen, sich auf die Ende Juli startende Liga zu freuen. Eventuell werde man auf dem Transfermarkt noch Aktivitäten setzen, Markus Pink und Lukas Grozurek sind schon da. "Sturm und ich sind ungebrochen. Wir werden Erfolg haben." (Christian Hackl, 7.7.2018)