Tanja Maljartschuk gewann den Bachmannpreis 2018.

Raphaela Edelbauer nimmt den Publikumspreis mit nach Hause.

Foto: APA

Die Schweizer Autorin Anna Stern gewinnt den 3sat-Preis.

Foto: APA

Der Deutsche Bov Bjerg gewinnt den Deutschlandfunk-Preis.

Foto: APA

Özlem Özgül Dündar erhält den Kelag-Preis.

Foto: APA

Klagenfurt – Die große Bühne mit Videowand und Biertischen steht nicht wegen des Bachmannpreises am Neuen Platz in Klagenfurt. Dabei war das eine halbe Stunde dauernde Abstimmungsprozedere, in dem die Siegerinnen und Sieger der 42. Tage der deutschsprachigen Literatur ermittelt wurden, nicht weniger nervenaufreibend als ein Elfmeterschießen. Das Ergebnis fiel dennoch recht erwartbar aus.

Der Hauptpreis (25.000 Euro) ging an Tanja Maljartschuk für "Frösche im Meer". Hauptfigur in diesem Text ist der illegal nach Österreich eingewanderte Petro, der sich mit einer demenzkranken Frau anfreundet. Die 35-jährige Maljartschuk – die Ukrainerin lebt seit 2011 in Wien – verbindet so aktuelle Themen wie Integration und Pflege. Erst seit 2014 schreibt sie auf Deutsch, nach Klagenfurt eingeladen wurde sie von Juror und STANDARD-Redakteur Stefan Gmünder.

In einem neuen Video parodieren die Stimmenimitatoren Maschek den Bachmannpreis – von Marcel Reich-Ranicki bis Stefanie Sargnagel.
maschek

Damit ist Maljartschuk die nächste in einer Reihe von Bachmannpreis-Gewinnern, die entweder Deutsch nicht als Muttersprache haben oder nicht aus der Prosa kommen: zuletzt Dramatiker Ferdinand Schmalz, davor die englischsprachige Sharon Dodua Otoo, davor Lyrikerin Nora Gomringer und davor Tex Rubinowitz.

Die seit sieben Jahren in Wien lebende Ukrainerin wurde für ihren Text "Frösche im Meer" ausgezeichnet, in dem sie die Geschichte eines Migrationsverlierer erzählt.
ORF

Dass Maljartschuk weit vorne landen würde, war nach der einhellig bejubelten Lesung klar. Der Beitrag ist aber so konventionell gebaut, dass die Entscheidung ein biederer Beigeschmack begleitet. Andererseits entspricht der Text den Forderungen der Eröffnungsrede Feridun Zaimoglus am besten. Der hatte am Mittwoch gegen Frauen-, Fremden- und Armenhasser gewettert. Natürlich fand man beim Wettlesen nur politisch korrekte Autoren. Allerdings mit Texten, die brenzlige Themen zum Zerfall der Gesellschaft nur über die Bande spielten, also per Rückgriff: auf die Situation der Frau im 20. Jahrhundert, Freiheitskämpfer aus den 1960ern, die Nazizeit und rechtsradikale Brandanschläge vor 25 Jahren.

Kelag-Preis an Özlem Özgül Dündar

Özlem Özgül Dündar erhielt mit "und ich brenne", einer Collage aus inneren Monologen von vier Müttern, den Kelag-Preis (10.000 Euro). Mit "Das Loch", einem Text über Erinnerungskultur in Österreich, gewann die in der Jurywertung zunächst noch ganz vorne gelegene 28-jährige Wienerin Raphaela Edelbauer schließlich den Publikumspreis. Damit verbunden ist der Posten als Klagenfurter Stadtschreiberin (5.000 Euro).

Die anderen prämierten Texte waren nicht dezidiert politisch. Der deutsche Bov Bjerg, der prominenteste Name im Bewerb, galt als Favorit und wurde mit seiner Vater-Sohn-Geschichte "Serpentinen" Zweiter (12.500 Euro). Den 3sat-Preis erhielt überraschend die junge Schweizerin Anna Stern mit "Warten auf Ava", einem Text über eine Schwangere im Koma (7.500 Euro).

Replik auf Kritik von Kehlmann und Steeruwitz

Juryvorsitzender Hubert Winkels war zufrieden mit der Qualität der Texte. Experimentelle Texte seien mittlerweile jenen gewichen, die vor allem gut gebaut sind. Es störte ihn anderes: In seiner Abschlussrede nahm Winkels Bezug auf Daniel Kehlmann und Marlene Streeruwitz, die vorab im STANDARD ihre Kritik am Bachmannpreis kundgetan hatten. "So schön bizarr" fand Winkels die Argumentation, dass er daraus zitierte. Kehlmanns Vorwurf, die Jury sei ein "Tribunal", konterte er, dass diese sich längst zivilisiert habe.

Zum STANDARD sagt Winkels dann, dieser Einspruch vonseiten arrivierter Literaten habe auch "einen richtigen Kern. Man kann schon sagen, eine so individuelle Ausdruckskunst wie die Literatur darf nicht in die Muster des Vergleichs gezwungen werden. Aber auf der anderen Seite gibt es eine lange Geschichte der Begegnung von Autoren in Wettbewerben, etwa bei den Meistersingern." (Michael Wurmitzer, 8.7.2018)