Ein Tiroler Schwein macht noch keinen Tiroler Speck. Die geschützte geografische Angabe betrifft den Produktionsort, nicht die Herkunft des Fleischs

Foto: Maksym Azovtsev

Er gehört zur Jause auf der Schutzhütte genauso dazu wie Weißbier, Käse und Kren: der Speck. Der geräucherte Schinken ist für Tirol das, was für die Steiermark das Kürbiskernöl oder für das Mostviertel der Birnmost ist – ein Original und als Tiroler Speck eine geografische Marke, der sich Hersteller in aller Welt gerne bedienen würden.

Das darf allerdings nicht jeder. "Nur wer in Tirol produziert, darf die geschützte geografische Angabe verwenden", erklärt Josef Wechner, Geschäftsführer von Handl Tyrol: "Die Rohstoffe können von überall aus Europa kommen, müssen aber genau definierte Qualitätskriterien erfüllen."

Müsste der Tiroler Speck auch vom Tiroler Schwein kommen, würde das Herkunftslabel aus vielen Geschäftsregalen verschwinden. So typisch der Speck für Tirol, so untypisch ist die Schweinezucht im bergigen Westen Österreichs. Zu Tirolern werden die Schweine aus der Steiermark, Oberösterreich und Deutschland erst posthum. Auch dänische Schweine werden als Tiroler Speck verkauft – zum Beispiel in Japan, das aus der EU kein anderes Schweinefleisch akzeptiert.

Beim Speck- und Rohwursthersteller aus dem Tiroler Oberland dachte man deshalb gar nicht daran, die neue Produktionsstätte außerhalb Tirols zu errichten. Seit März läuft im neuen Werk in Haiming der Probetrieb, im Oktober wird feierlich eröffnet.

Alles modernisiert

60 Millionen hat Handl in den neuen Standort, den dritten in Tirol und insgesamt vierten (in Südtirol wird Südtiroler Speck produziert), investiert. Modernisiert wurde alles. Statt auf mehreren Stockwerken, geschieht die Speckproduktion nun auf einer Etage mit rund 20.000 Quadratmetern. Rohstoffe werden auf dem Fließband verarbeitet und müssen nicht mehr von Produktionsschritt zu Produktionsschritt transportiert werden.

Schneller ist die Produktion damit aber nicht geworden. Wie auch? "Die Produktionszeit kann nicht beschleunigt werden", erklärt Wechner: "Damit aus dem Rohstoff Schweinefleisch Speck wird, muss dieses wochenlang in Salz und Gewürzlake liegen, geräuchert werden und monatelang reifen." Am 23. Juli 1573 ist eine Preisfestsetzung für Speck in Tirol dokumentiert. Man weiß nicht, ob er damals schon geräuchert wurde. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, als Handl, das heute rund 520 Mitarbeiter beschäftigt und im letzten Jahr 128 Millionen Euro umgesetzt hat, in Pians als klassische Metzgerei gegründet wurde, wurde Speck bereits so hergestellt wie heute auch.

Handl geht es beim Speck aber auch nicht um schneller, mehr und billiger – sondern um besser. "Das Allerwichtigste ist die Qualität", erklärt Wechner: "Das Hauptaugenmerk galt immer schon der Qualität des Frischfleischs sowie dem Einsatz von Naturgewürzen, insbesondere speziellem Meersalz." Will heißen: Die Lieferanten werden sorgsam ausgewählt, man verzichtet bewusst auf Farbstoffe und Geschmacksverstärker. "Interne und externe Audits sowie laufende Veterinärarztkontrollen sind für uns Standard", spielt Wechner darauf an, dass man permanent Qualitätsprüfer im Haus habe.

Größeres Bewusstsein

Die Konsumenten honorieren das nicht nur. Sie fordern es auch ein. "Das Ernährungsbewusstsein ist merkbar größer geworden", erklärt Wechner: "Besonders beim Salz- und Fettgehalt schauen die Konsumenten genau hin." Das gilt weniger für Speck, der 50 Prozent der Handl-Produktion ausmacht, als für Rohwürste und Braten. Deshalb beschäftigen die Tiroler ein Innovationsteam, das neue Produkte entwickeln soll: salzarme Würste, für fitnessbewusste Menschen proteinreiche Beef-Chips.

Für Würste gibt es jedoch keine geschützte geografische Angabe. "Tirol und Südtirol kennt man im Ausland als Tourismusregionen. Das ist für uns ein großer Vorteil. Die Marke Tirol und die geschützte geografische Herkunftsangabe sind bei unseren Nachbarn ein zusätzliches Verkaufsargument", erklärt Wechner. Handl, das jährlich rund 20 Millionen Kilo Fleisch verarbeitet und davon mehr als die Hälfte exportiert, tut jedoch auch einiges dafür, Wanderern in den Bergen Tirols in Erinnerung zu bleiben.

Auf den Hohen Riffler im Westen des Bundeslands führt der Karl-Handl-Steig. Dass der Tiroler Alpenverein eine Route nach dem Handl-Gründer benannt hat, ist kein Zufall. "Unsere Produkte passen ideal zum Wandern", sagt Wechner: "Sie sind haltbar, traditionell und regional." Seit einigen Jahren kooperiert der Tiroler Fleischproduzent mit dem Alpenverein. Dieser bekommt von Handl Gelder für Wege und Hütten. Dafür wirbt der Alpenverein für das Familienunternehmen. (Aloysius Widmann, 9.7.2018)