Die Auswahl für eines der wichtigsten Ämter der amerikanischen Demokratie verlief im Speed-Dating-Modus: Nicht einmal zwei Wochen brauchte Donald Trump, um sich nach der Rücktrittsankündigung des Verfassungsrichters Anthony Kennedy für einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin am Obersten Gericht der USA zu entscheiden – die letzte Wahl traf der Präsident am Wochenende auf dem Golfplatz in Bedminster, New Jersey. Wie bei einer Castingshow steigerte er von dort aus mit einem Teaser die Spannung: "Bald wird eine große Entscheidung über unseren nächsten Richter am Supreme Court fallen", twitterte er.

Der Surpreme Court besteht aus neun Richtern, die auf Lebenszeit ernannt werden.
Foto: AP/J. Scott Applewhite
DER STANDARD

Am Montagabend zur besten Sendezeit will Trump den Namen live im Fernsehen bekanntgeben. Doch egal, ob der oder die Neue, wie US-Medien spekulieren, Brett Kavanaugh, Raymond Kethledge, Thomas Hardiman oder Amy Coney Barrett heißen wird, eines haben alle gemeinsam: ihre streng konservative Haltung in gesellschaftlichen Fragen. Trumps Personalwahl ist eine Entscheidung, die die USA verändern wird.

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Die 46-jährige Amy Coney Barrett könnte schon bald US-Höchstrichterin sein.
Foto: Robert Franklin / South Bend Tribune via AP

Die vergangenen zwei Wochen haben einen Vorgeschmack darauf gegeben, wie sehr die Nominierung das Land weiter spalten dürfte. Bürgerrechtsgruppen haben ihre Anhänger zum Protest aufgerufen. Sie fürchten, dass mit der Ernennung des neuen Richters auf Lebenszeit nun für Jahrzehnte eine konservative Mehrheit im Verfassungsgericht zementiert wird, die liberale Errungenschaften wie das Recht auf Abtreibung, die Ehe für alle oder die Krankenversicherung Obamacare schleifen wird. Beide Seiten werden in den nächsten Wochen Millionen in Kampagnen gegen und für Trumps Kandidaten stecken.

Kritikerinnen im eigenen Lager

Verhindern können die Demokraten die Wahl nur, wenn es ihnen gelingt, aus der republikanischen Senatsmehrheit von 51 Stimmen zwei Stimmen herauszubrechen. Darauf konzentrieren sich alle ihre Anstrengungen, öffentlich und in Hinterzimmern. Eine kleine Chance gibt es: Zwei Senatorinnen, Susan Collins aus Maine und Lisa Murkowski aus Alaska, unterstützen das Recht auf Abtreibung, und beide haben sich schon bei Obamacare gegen die eigene Partei gestellt.

Doch andererseits kann sich die demokratische Parteiführung der eigenen Gefolgschaft nicht sicher sein. Drei demokratische Senatoren haben letztes Jahr für den von Trump ausgewählten Richter Neil Gorsuch gestimmt. Und alle drei Politiker stehen in eher konservativen Bezirken im November zur Wiederwahl an.

"Immerhin Gorsuch!"

Schafft es Trump, seine Personalentscheidung durchzuboxen, dürfte ihm das die unverbrüchliche Treue einer seiner wichtigsten Wählergruppen sichern: der Evangelikalen. Die erzkonservativen Christen hatten den dreimal verheirateten Trump bei der Präsidentschaftswahl 2016 vor allem deswegen unterstützt: weil er sich in der hoch ideologisierten Abtreibungsfrage auf ihre Seite stellte. Mit Neil Gorsuch hat der Präsident aus Sicht seiner Basis den ersten Streich geliefert. "Immerhin Gorsuch!", lautet die Antwort vieler Trump-Wähler, wenn man fragt, wie sie jemanden unterstützen können, der eine Affäre mit einem Pornostar hatte, das Ansehen der Institutionen beschädigt und traditionell republikanische Positionen und Werte abräumt.

Legt Trump nun ein zweites Mal nach, dürfte das viele in der Basis mobilisieren, bei der Kongresswahl im Herbst für die Republikaner zur Wahl zu gehen. Trump selbst setzt alles daran, seinen Erfolg zu wiederholen. "Ich glaube, ihr werdet das wirklich lieben, so wie Richter Gorsuch", hat er das Publikum heißgemacht. (Ines Zöttl aus Washington, 9.7.2018)