Bild nicht mehr verfügbar.

Herzlicher Empfang für den Regierungschef des einstigen Todfeindes: Äthiopiens Premier Abiy Ahmed (re.) wurde von Eritreas Präsident Isaias Afewerki abgeholt.

Foto: AP/ERI

Asmara/Johannesburg – Von einer derartigen Begrüßung hätten seine Vorgänger nicht einmal träumen können. Als Äthiopiens Regierungschef Abiy Ahmed am Sonntag zu einem überraschenden Besuch im Nachbarstaat Eritrea eintraf, wehten ihm Banner mit der Aufschrift "Willkommen, lieber Bruder" entgegen. Auf dem Weg vom Flughafen winkten dem Premier tausende Eritreer mit äthiopischen Fähnlein zu, er wurde von Staatspräsident Isaias Afewerki, der Äthiopien noch bis vor kurzem voller Hass gegenüberstand, sogar umarmt. Noch am Abend wurde die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen bekanntgegeben, die ende der Neunziger Jahre abgebrochen worden waren.

Zwei Jahrzehnte lang herrschte zwischen den Bruderstaaten bittere Eiszeit, die nach einem 80.000 Opfer fordernden Krieg ausgebrochen war: Hunderttausende Eritreer sind in den vergangenen 18 Jahren Richtung Europa geflohen, weil sie der andauernden Mobilmachung – dem unbefristeten Zwangsdienst in der Armee – zu entkommen suchten. Das alles könnte nun bald Geschichte sein.

Das historische Treffen war möglich geworden, nachdem der 41-jährige Abiy einen radikalen Politikwandel des mit über 100 Millionen Einwohnern zweitbevölkerungsreichsten afrikanischen Staats in die Wege geleitet hatte. Er erkennt nun den Spruch einer internationalen Kommission an, die Eritrea ein umstrittenes Grenzgebiet um das Städtchen Badme 2002 zuerkannt hatte.

"Neue Ära"

Abiys überraschendem Zugeständnis folgte der Besuch einer eritreischen Delegation Ende Juni in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Obwohl der Abzug äthiopischer Truppen aus Badme noch immer nicht erfolgt ist, zweifelt Eritrea nicht an der Ernsthaftigkeit Addis Abebas: "Dieses Gipfeltreffen kündigt eine neue Ära von Frieden und Zusammenarbeit an", schrieb Außenminister Yemane Gebremeskel auf Twitter.

Eritrea wurde 1993 nach einem Referendum von Äthiopien unabhängig: Zuvor hatten eritreische und äthiopische Befreiungskämpfer dem "roten Terror" des kommunistischen Diktators Mengistu gemeinsam ein Ende bereitet, dann aber im Zerwürfnis über das unfruchtbare Stück Land bei Badme Krieg begonnen. Dass es dazu kommen konnte, sorgte im Ausland oft für Unverständnis.

Obwohl das neue Tauwetter unter der Bevölkerung der beiden Staaten begeistert aufgenommen wird, machen Experten auch auf die Gefahren des Umschwungs aufmerksam.

Unsichere Perspektiven

Äthiopiens Sicherheitsestablishment verfolgt die Entwicklungen mit Skepsis: Ein vor zwei Wochen verübter Anschlag auf Abiy wird diesen Kreisen zugerechnet.

Auch in Eritrea sind Zweifel daran angebracht, ob der seit 25 Jahre ungewählt regierende Präsident Afewerki die Tauzeit auf sein Land übergreifen lässt. "Die äthiopische Friedensinitiative bringt Afewerki in eine sehr schwierige Position, weil dadurch seine Strategie unterwandert wird, Äthiopien für alle Unbill verantwortlich zu machen", sagt Eritreas PEN-Direktor Abraham Zere. Auch die westliche Politik hat Eritrea in den vergangenen Jahrzehnten isoliert: Washington bevorzugt Äthiopien als Partner am Horn von Afrika. Chinas wachsender Einfluss dort scheint aber ein Umdenken ausgelöst zu haben: Nun misst man Eritrea wegen seiner Lage am strategisch bedeutsamen Roten Meer eine zunehmende Bedeutung zu. (Johannes Dieterich, 8.7.2018)