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Lula-Anhänger demonstrierten im März vor dem Höchstgericht in Brasilia.

Foto: Reuters/Marcelino

Porto Alegre / Brasilia – In Brasilien dauert das juristische Gezerre um Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva an: Nachdem ein Bundesrichter in Porto Alegre die sofortige Freilassung des 72-Jährigen angeordnet hatte, stoppte der Gerichtspräsident am Sonntag die vorläufige Entlassung des ehemaligen Staatschefs (2003–2010) wieder. Mit dem Machtwort beendete Thompson Flores ein stundenlanges Kompetenzgerangel.

Dieses war zwischen mehreren Richtern abgelaufen. In örtlichen Medien war von "juristischer Anarchie" die Rede. Zunächst hatte der Bundesrichter Rogério Favreto einem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben und Lulas Freilassung aus dem Gefängnis in Curitiba angeordnet. Es gebe keine rechtliche Grundlage für seine Inhaftierung, Lula könne das Berufungsverfahren gegen sein Urteil in Freiheit abwarten, hieß es in seiner Entscheidung.

Zwölfjährige Freiheitsstrafe

Lula verbüßt seit Anfang April eine zwölfjährige Freiheitsstrafe wegen Korruption. Er soll sich von einem Bauunternehmen eine Luxuswohnung renovieren haben lassen. Lula selbst sieht sich als Opfer einer Verschwörung rechter Politiker, der Justiz und der Medien und bezeichnet sich als politischen Gefangenen.

Fast wäre der Befreiungsplan von Lulas linker Arbeiterpartei aufgegangen: Mehrere Abgeordnete hatten den Antrag auf einstweilige Verfügung am Freitagabend gestellt, als der Bereitschaftsdienst des der Partei wohlgesonnenen Richters Favreto begann. Als dieser dem Antrag Sonntagfrüh stattgab, feierten Lulas Anhänger bereits ihren Sieg.

Haft, bis Fall geprüft wurde

Was folgte, war ein juristischer Schlagabtausch: Zunächst meldete sich Sergio Moro zu Wort, jener Strafrichter am Bundesgericht in Curitiba, der Lula verurteilt hatte. Das Gericht in Porto Alegre verfüge nicht über die notwendige Kompetenz, um die Haftstrafe auszusetzen, erklärte er.

Der für den Prozess zuständige Richter João Gebran Neto kassierte daraufhin die Entlassung umgehend. Die Polizei solle Lula nicht auf freien Fuß setzen, bis er den Fall geprüft habe, entschied der Jurist. Favreto verfasste dann eine weitere Entscheidung und befahl der Polizei, Lula binnen einer Stunde freizulassen.

Da wurde es Gerichtspräsident Flores zu bunt. Er trennte die Streithähne und entschied, dass die Kompetenz beim zuständigen Richter Gebran liege. Lula bleibt zunächst also hinter Gittern. Abgeordnete der Arbeiterpartei sprachen daraufhin von "Freiheitsberaubung". Die Gruppe Anwälte für die Demokratie stellte Strafanzeige gegen Richter Moro.

Lula will bei Wahl im Oktober kandidieren

Der Machtkampf der Richter hat entscheidenden Einfluss auf die Zukunft der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas. Lula will bei der Präsidentenwahl im Oktober erneut kandidieren. In den Umfragen liegt er deutlich vorne. Auf dem zweiten Platz folgt der ultrarechte Ex-Militär Jair Bolsonaro. Der "Trump Brasiliens" verherrlicht die Militärdiktatur von 1964 bis 1985 und hetzt gegen Homosexuelle.

In der Zelle in Curitiba hielt sich die Enttäuschung in Grenzen. Lula selbst hatte offenbar ohnehin nicht an seine Freilassung geglaubt. "Er hat gelächelt, wie er immer lächelt. Aber er hat nicht geglaubt, dass sie ihn freilassen", sagte der Abgeordnete Wadih Damous, der am Sonntag bei ihm war. "Er hat gefragt: Glaubt ihr wirklich, sie lassen mich so einfach gehen?" (APA, 9.7.2018)