Regionalgouverneur Attilio Fontana bestätigte, dass in der Lombardei die Roma und Sinti gezählt werden sollen.

Foto: APA/AFP/MARCO BERTORELLO

Bild nicht mehr verfügbar.

Italiens Innenminister Matteo Salvini kündigte bereits vor rund zwei Wochen an, die Roma und Sinti im Land zählen lassen zu wollen. In der Lombardei nimmt der heftig kritisierte Plan bereits Formen an.

Foto: AP Photo/Andrew Medichini

Rom/Mailand – Nachdem das Parlament der norditalienischen Lombardei grünes Licht für eine Zählung der in der Region lebenden Roma und Sinti gegeben hat, bestätigte nun Regionalgouverneur Attilio Fontana, dass die Landesregierung der Entscheidung folgen werde. Die Initiative sieht vor, "Roma, Sinti und Nomaden" zu zählen und "irreguläre Siedlungen" zu schließen, berichtete der "Corriere della Sera" am Wochenende.

"Das wäre ja noch schöner, würden wir uns dagegen wehren", sagte Fontana, der ein Parteifreund von Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini ist. "Der Landtag ist das Gremium, das den Willen aller Bürger repräsentiert. Die Landesregierung kann daher nur das tun, was der der Landtag beschließt."

"Keine Armee"

Über den Modus, nach dem die Zählung erfolgen soll, sagte Fontana: "Der Wille der Region" bestehe darin, die Bezirkshauptmannschaften der Lombardei einzubeziehen. So wie man auf den Ämtern ein Meldeverzeichnis der in der Region ansässigen Bürger habe, solle es auch ein Verzeichnis über jene Menschen geben, die "auf den Feldern leben". Fontana fügte hinzu: "Ich glaube nicht, dass wir dafür die Armee brauchen werden, das wäre anomal."

Innenminister Salvini hatte sich bereits vor zwei Wochen für eine Zählung von Angehörigen der Roma-Minderheit ausgesprochen, was in Italien für heftige Kritik gesorgt hatte. Die Erhebung ermögliche die Ausweisung von Ausländern ohne gültigen Aufenthaltsstatus, sagte Salvini. Roma mit italienischer Staatsbürgerschaft müsse das Land "leider behalten", fügte er hinzu.

Verstoß gegen die Verfassung

Der Chef des Koalitionspartners Fünf Sterne, Luigi Di Maio, betonte daraufhin, jegliche Zählung eines Bevölkerungsteils auf Basis der ethnischen Zugehörigkeit verstoße gegen die Verfassung. Salvini wiederum erklärte, dass keine behördliche Erfassung der Roma oder eine Registrierung von Fingerabdrücken geplant sei. Ihm gehe es darum, "ein Bild" von der Situation in den Roma-Lagern zu gewinnen.

Der sozialdemokratische PD bezeichnete die geplante Zählung als "rassistisch und demagogisch". "Italien ist ins Jahr 1938 zurückgefallen", sagte die Senatorin Monica Cirinna in Anspielung auf die Zeit des Faschismus und der Rassengesetze. "Gestern die Flüchtlinge, heute die Roma, morgen Pistolen für alle", sagte der frühere Ministerpräsident Paolo Gentiloni, der ebenfalls dem PD angehört.

Jeder Bürgermeister wisse bereits, wie viele solcher Siedlungen – legale oder illegale – es auf seinem Gebiet gebe, fügte PD-Landesrätin Carmela Rossa hinzu, früher für Sicherheit zuständige Stadträtin der lombardischen Metropole Mailand. Eine solche "Volkszählung" sei gar nicht nötig, man habe bereits alle Daten. Gouverneur Fontana solle sich nicht aus billigen politischen Überlegungen solchen Forderungen anschließen, sondern stattdessen lieber den Bürgermeistern in der Lombardei helfen, ihre Probleme mit den Roma-Siedlungen zu lösen.

NS-Parallelen

Die in Italien bekannte und populäre christliche Laienbewegung "Gemeinschaft Sant'Egidio" drückte "große Sorge und Enttäuschung" über die Zählung aus. Der Nachrichtenagentur ADN Kronos sagte die Gemeinschaft, es würden Feindbilder konstruiert. "Mehr als die Hälfte der Roma in Mailand sind auch in Mailand auf die Welt gekommen." Schon zuvor hatte die Gemeinschaft historische Vergleiche mit dem Umgang mit den Juden in Europa gezogen.

Die Idee der Zählung einer Minderheit erinnert viele Menschen an NS-Verfolgungen. Während der Hitler-Diktatur wurden Juden sowie Sinti und Roma entrechtet und diskriminiert. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs vernichteten die Nazis mit ihren Verbündeten Angehörige der Minderheiten systematisch.

Bereits am Sonntag demonstrierten mehrere Roma-Gemeinschaften gegen die Zählung, am Montag wollten mehrere Gruppen in der Hauptstadt Rom Kundgebungen abhalten. Ihr Motto: "Die Rom sind Italiener. Die Rom sind Europäer." (gian, maa, 9.7.2018)