Von den europäischen Krisensituationen überschattet, fand eine kurze Wirtschaftsnachricht aus Ungarn in den internationalen Medien keine Beachtung: Der Geschäftsmann Lajos Simicska hat am vergangenen Mittwoch seine sämtlichen Unternehmen (rund 60 Firmen in der Bauindustrie, Landwirtschaft und Werbung) an den langjährigen Geschäftspartner Zsolt Nyerges verkauft. Der Auszug Simicskas aus dem ungarischen Wirtschaftsleben bedeutet den endgültigen Sieg des Ministerpräsidenten Viktor Orbán in einem, auch von tiefen persönlichen Leidenschaften geprägten Interessenkonflikt, der seit drei Jahren seinen absoluten Machtanspruch potenziell mehr gefährdet hat, als die gesamte, hoffnungslos gespaltene Opposition.

Der geniale Finanzjongleur Simicska war 35 Jahre lang der engste Freund Orbáns und der geheimnisumwitterte Architekt des Finanz- und Medienimperiums der seit 2010 regierenden Fidesz-Partei. Trotz seiner politischen Begabung wäre Orbán ohne Simicska nie Ministerpräsident (1998 und dann 2010) und Simicska ohne Orbán und den Fidesz kein (Forint-)Milliardär geworden. Die für beide Seiten lukrative Männerfreundschaft zerbrach nach dem zweiten Wahltriumph von Fidesz. Simicska warf im Februar 2015 Orbán in TV- und Medieninterviews vor, eine neue prorussische Diktatur errichten zu wollen.

Trotz Simicskas Beteuerungen ging es bei dem voll entbrannten Krieg nicht in erster Linie um unterschiedliche Wertvorstellungen, sondern darum, dass dem Regierungschef der umtriebige Simicska zu mächtig geworden war. Orbán selbst soll einmal bei einem informellen Gespräch mit ausländischen Botschaftern gesagt zu haben: "Ich habe gelernt: Wenn Du eine Chance hast, deinen Rivalen umzubringen, dann denke nicht nach, sondern tu es!". Simiucskas Firmen gingen danach bei öffentlichen Aufträgen leer aus, und es wurde mit Hilfe der von Simicska zu Orbán übergelaufenen Manager ein neues, vollständig von Orbáns Leuten kontrolliertes Medienreich aufgebaut.

Während der letzten drei Jahren haben Simicskas Medien, vor allem die Tageszeitung "Magyar Nemzet", der Sender Lánchid und der nach dem CNN modellierte Hir TV die brisantesten Einzelheiten über die Korruption und die Bereicherung der Freunde und Verwandte des Ministerpräsidenten berichtet. Simicska selbst bekundete öffentlich seine Unterstützung für die rechtsextreme Jobbik Partei. Nach dem neuerlichen Triumph der "Führerdemokratie", der "autokratischen Machtausübung im demokratischen Rahmen"(so der Politologe András Körösényi) bei den Aprilwahlen stellte Simicska die Finanzierung seiner defizitären Medien sofort ein. Der Verkauf seiner sämtlichen Unternehmen dürfte nun auch das Ende des wirkungsstarken Hir TV Senders bedeuten.

Nach dem totalen Sieg über den einzigen gefährlichen Herausforderer können die Drohungen aus Brüssel wegen des Abbaus des Rechtsstaates Viktor Orbán, den zynischen Wortführer der Abschottung völlig kalt lassen. Er bleib der uneingeschränkte (und ungefährdete) Herrscher jenes EU-Mitgliedsstaates, der einst als liberaler Hoffnungsträger Osteuropas galt. (Paul Lendvai, 9.7.2018)