Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz macht sich in Teilen Europas gerade nicht wahnsinnig beliebt mit seinen Ideen zur Neuordnung der Flüchtlingspolitik. Damit ist er zwar nicht der Einzige, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Italiens Innenminister Matteo Salvini gewinnen auch nicht gerade Brüsseler Beliebtheitswettbewerbe, aber Kurz ist derzeit EU-Ratsvorsitzender, das ist eine andere Liga. Kritik wiegt schwerer.

"Achse der Willigen" sei keine "geeignete Sprache", rügte etwa der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im ZDF. Auch kritische Stimmen in der internationalen Presse werden lauter: "Antieuropäisch" und "unsolidarisch" lege Österreich seinen EU-Ratsvorsitz an, schreiben etwa "El País" und die "NZZ".

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderte den Ratspräsidenten vor Medien auf, nicht so "großspurig" zu sein – ob er damit Kurz oder die Unbeweglichkeit der EU-Mitgliedstaaten in der Debatte gemeint hat, ist vielleicht eine Frage der Interpretation. Nichts zu interpretieren gibt es dagegen bei der jüngsten Wortmeldung des Papstes: Franziskus warnt Europa davor, "Mauern statt Brücken zu bauen".

Komplette Abschottung

Dass Österreich damit zumindest auch gemeint ist, kann man schwer abstreiten. Denn das Konzept der österreichischen Regierung sieht vor, dass es künftig gar nicht mehr möglich sein soll, Asylanträge auf europäischem Boden zu stellen. Das kommt einer kompletten Abschottung gleich. Ein Papier auf EU-Beamtenebene, das dem STANDARD vorliegt, stellt zudem die Errichtung von "Rückkehrzentren in Drittstaaten" zur Diskussion.

Es scheint, als bereite es Sebastian Kurz kein großes Kopfzerbrechen, dass Persönlichkeiten, die in Europa Autorität genießen, von ihm abrücken. Es gibt auch nicht wenige Menschen in Österreich, die das gar für ein geniales PR-Konzept halten. Immerhin gilt: Je strikter die Ausländerpolitik, desto besser die Umfragen. Obendrein wirkt Entschlossenheit bei diesem Thema gleich ganz anders als etwa beim Zwölfstundentag, wo man gleich als "Drüberfahrer" oder "Durchpeitscher" gilt. Und solange die "Krone" bei der Stange bleibt, ist sowieso alles gut. Sollte man meinen. Allerdings: Der Kritik der Kirche an der Asyldebatte widmete das Blatt eine Doppelseite, und auch die Berichterstattung zum Zwölfstundentag ist bis dato durchaus differenziert. Kurz kann sich nicht darauf verlassen, dass er mit seiner Politik zwar Eliten vor den Kopf stößt, aber "bei den Menschen auf der Straße" ist – nur weil der Boulevard applaudiert.

Mit Populismus wird Ausgleich nicht gelingen

Abgesehen davon muss der Bundeskanzler eines EU-Landes, umso mehr, wenn es den Ratsvorsitz innehat, auch das große Ganze im Auge haben – bei allen Themen. Das muss er schon im Interesse Österreichs tun: Es gibt viele europäische Themen, für die Österreich Verbündete braucht, nicht zuletzt in der Frage, wie es mit der Agrar- oder mit der Regionalförderung weitergeht.

Vorausschauende Politik sorgt für Ausgleich. Mit der Übernahme eines Populismus, wie er bis vor kurzem eigentlich der Oppositionspartei FPÖ vorbehalten war, wird Kurz das nicht gelingen. Es gibt schon genügend europäische Spitzenpolitiker, die nur bis zur eigenen Nasenspitze sehen wollen und ihren nationalen Egoismus pflegen. In diese Reihe der Provinzgrößen sollte sich Österreichs Bundeskanzler nicht stellen. (Petra Stuiber, 9.7.2018)