Roter Teppich für den hohen Gast aus China: Premier Li Keqiang war am Montag zum vierten Mal in Berlin, Merkel hatte die Volksrepublik zuletzt im Mai besucht.

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Eigentlich waren sie nur zu zweit am Montagnachmittag bei der Pressekonferenz im Berliner Kanzleramt: die deutsche Regierungschefin Angela Merkel und der chinesische Premier Li Keqiang. Doch es gab noch einen "unsichtbaren Dritten" – nicht dabei, aber immer im Raum: US-Präsident Donald Trump.

Die fünften deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen fanden nur wenige Tage nach der Eskalation im Zollstreit zwischen den USA und China statt. Nachdem die USA am Freitag Zölle im Wert von 34 Milliarden Dollar auf chinesische Waren verhängt hatten, reagierte Peking unmittelbar und verhängte Zölle im gleichen Umfang.

22 Abkommen

Der seit langem geplante Besuch der Chinesen in Deutschland kam Li gerade recht, er konnte auf eine weitere Festigung der Beziehungen verweisen. "Wir haben 22 Abkommen unterschrieben, Regierungskooperationen und auch Wirtschaftskooperationen", sagte Merkel. Li betonte: "Deutsche Spitzenprodukte und Hightech sind in China sehr willkommen." Der Autobauer BMW kündigte an, seine Präsenz in China auszubauen. Nach Angaben von BMW soll dafür ein Joint Venture mit der Brilliance Automotive Group (BBA) erweitert werden.

Alibaba mit Siemens

Auch der Elektromulti Siemens und die Cloud-Sparte des chinesischen Internetkonzerns Alibaba unterzeichneten eine Absichtserklärung für eine Partnerschaft, mit der das industrielle Internet der Dinge in China gefördert werden soll.

Merkel und Li betonten beide, ohne Trump namentlich zu erwähnen, wie wichtig der Freihandel sei. "Er spielt für die Weltwirtschaft eine kräftigende und fördernde Rolle", erklärte Li, und Merkel fügte hinzu: "Wir setzen uns für ein freies Handelssystem ein." In einem multilateralen System seien alle "voneinander abhängig". Die Strafzölle zwischen den USA und China würden "auf alle Partner ausstrahlen".

Deutschland und China hätten sich darauf verständigt, "dass wir uns an das Regelwerk der WTO (Welthandelsorganisation, Anm.) halten wollen und dass wir auf Multilateralismus setzen – auch bei den Handelsfragen", sagte Merkel und betonte: "Dies ist ein gemeinsames Bekenntnis."

Angesprochen auf die Menschenrechte in China, erklärte Li: "Wir haben die Menschenrechte deutlich verbessert. China ist noch ein Entwicklungsland, wir haben eine traditionelle Kultur." Aber man sei auch "zum Menschenrechtsdialog auf Augenhöhe" bereit. Explizit erwähnte Merkel das Engagement des deutschen Chemieriesen BASF in China. Dieses zeige, "dass es in China auch neue Möglichkeiten gibt" und dass beim Thema Marktöffnung "auch Taten folgen".

Großprojekt in Eigenregie

BASF wird Nutznießer jüngster Pekinger Reformen, die Auslandsinvestoren erlauben, ihre Großprojekte statt als Joint Ventures in eigener Regie zu bauen und zu betreiben. Der Konzern erhielt jetzt grünes Licht, um seinen Plan zu verfolgen, in der Provinz Guangdong in alleiniger Verantwortung und als 100-Prozent-Investor stufenweise seinen künftig größten integrierten Verbundstandort in Asien zu errichten.

Ludwigshafen veranschlagt dafür Gesamtinvestitionen von rund zehn Milliarden Euro. Bis 2030 soll der neue Riesenstandort fertig gebaut sein, bei dem weltweit führende Technologien zum Einsatz kommen. BASF spricht von einem Hightech-Verbundstandort mit einem "umfassenden Smart-Manufacturing-Konzept".

Die ersten Anlagen könnten schon ab 2026 in Betrieb gehen. Zu ihnen gehört ein Steamcracker mit einer Ethylenproduktionskapazität von einer Millionen Tonnen im Jahr. Die erzeugten Vorprodukte finden im Konsumgüter- und auch im Transportbereich Verwendung – von Batterien über Autos bis hin zu Zügen und Flugzeugen.

Unverbindliche Absicht

BASF-Vorstandschef Martin Brudermüller und Guangdongs Vizegouverneur Lin Shaochun unterzeichneten am Montag eine vorerst noch unverbindliche Absichtserklärung zum Bau des neuen Standorts im Beisein von Merkel und Chinas Premier Li.

Auch für Peking kommt der geplante Deal mit der BASF mehr als gelegen. Drei Tage nach den von Donald Trump verhängten Zollstrafen, die einen Handelskrieg zwischen den USA und China heraufbeschwören, kann es imagemäßig punkten. Seht her, Leute: China lockt die Großinvestoren weiterhin an.

Die Pläne der BASF, sich in einem Petrochemie-Industriepark auf der Halbinsel der Guangdonger Großstadt Zhanjiang einen integrierten Chemiestandort zu bauen, waren im April bekannt geworden. Lokale Zeitungen enthüllten die Verhandlungen der Stadt- und der Provinzregierung mit Ludwigshafen. Als Standort boten sie die Halbinsel Donghai an, wo seit 2011 auch der Staatsölkonzern Kuwaits einen Joint-Venture-Großraffineriekomplex für rund zehn Milliarden Euro baut. (Birgit Baumann aus Berlin, Johnny Erling aus Peking, 9.7.2018)