Ein Tanzkurs soll die Lehre verlockender machen.

Foto: Heribert Corn

Wien – Wer bei Molto Luce am Standort Wels eine Lehre beginnt, bekommt, wenn er will, gleich einen Tanzkurs mit dazu. Nicht weil die jungen Mitarbeiter des Beleuchtungsgroßhändlers durch den Showroom tanzen sollen, sondern weil sie ohne solche Goodies oft erst gar nicht bei Molto Luce anheuern würden. "Wir haben in Oberösterreich eine extreme Dichte an Unternehmen, die Lehrlinge suchen", sagt Thomas Mayrhuber, Leiter der Personalabteilung beim Beleuchtungsausstatter: "Solche Anreize sind Standard, ohne geht nicht mehr."

Auch wenn das Arbeitsmarktservice (AMS) im letzten Juni nur eine Lehrstellenlücke (die Anzahl sofort verfügbarer Lehrstellen minus die Anzahl sofort verfügbarer Lehrstellensuchender) von 26 Personen maß: Viele offene Stellen werden nicht beim AMS gemeldet. Ausbildungsbetriebe tun sich in Österreich schwer, junge Menschen für die Lehre zu gewinnen. Sie werben auf Jobbörsen, Karriereevents und in Schulen um knappe junge Humanressourcen. Allein in Oberösterreich würden 20.000 Fachkräfte fehlen, hieß es vonseiten der Wirtschaftskammer Oberösterreich (WKO OÖ). Diese Lücke soll nun mit Maturanten und Studienabbrechern gefüllt werden. Ab Herbst bietet die WKO auch Maturanten Ausbildung in Lehrberufen an.

Die Lehrlingsknappheit betrifft aber ganz Österreich. Auf karriere.at und anderen Jobbörsen wimmelt es nur so von Stellenanzeigen für Lehrlinge. Egal ob Elektroniker bei Fronius, Einzelhandelskaufmann bei S. Oliver oder Lebensmitteltechniker bei Rewe: Fast überall wird mit Prämien, begleitenden Bildungsmöglichkeiten, billigem Essen und möglichen Auslandspraktika geworben.

Haltung und Manieren

Bei Molto Luce ist das nicht anders. Dass zusätzlich auch mit einem Tanzkurs geworben wird, hat einen einfachen Grund. Dem Lehrling wir ein weiteres Goodie geboten. Und das Unternehmen profitiert gleich mit: "Unsere Lehrlinge lernen Bewegungsabläufe, Haltung, Manieren. Das Unternehmen profitiert davon, weil sich das auch im Umgang mit Kunden niederschlägt", erklärt Mayrhuber. Jeder Lehrling kann den Kurs absolvieren – man muss sich nicht durch Leistung erst dafür qualifizieren.

Bei manchen Goodies zählt sehr wohl, wie gut man sich bei der Arbeit oder in der Berufsschule schlägt. "Wir planen einen Zuschuss für den Führerschein", erklärt Mayrhuber: "Den würden aber nicht alle, sondern zum Beispiel nur die besten zwanzig Prozent bekommen."

Sieben neue Lehrberufe

Die Bundesregierung will Lehrberufe attraktiver machen. Einfach nur mehr und schmackhaftere Goodies anzubieten sei dabei der falsche Weg, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium. Die Lehre müsse für eine breitere Bevölkerungsgruppe interessant werden. Ein Drittel aller Lehrlinge sind weiblich und wählen zu 44 Prozent nur Handel, Bürokauffrau und Friseur. Hier müsse man beispielsweise junge Mädchen gezielter ansprechen und für neue technische Berufsbilder begeistern, erklärte eine Sprecherin der Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). Entscheidend seien letztlich aber die Attraktivität der Aufgaben, die Unternehmenskultur und das Arbeitsklima – sowie die Entlohnung. Der Begriff "Lehrlingsentschädigung" sei für das Image des Lehrberufs nicht förderlich.

Ein erster, schon seit Wochen angekündigter Schritt wurde am Montag gemacht. Das Wirtschaftsministerium hat per Erlass die rechtliche Grundlage für sieben neue Lehrberufe geschaffen – darunter E-Commerce-Kaufmann, Steinmetztechniker und Maskenbildner. Sechs Curricula wurden adaptiert und um digitale Inhalte erweitert. Für das erste Lehrjahr wird mit einem Bedarf von insgesamt 150 Stellen in den neuen Berufen gerechnet.

Digitale Lehre

Dass zusätzliche Lehrstellen den Lehrlingsengpass verschärfen, glaubt man im Wirtschaftsministerium nicht. Durch die Digitalisierung würden sich nicht nur die Berufe und Berufsinhalte, sondern auch die Ansprüche der jungen Leute verändern. Eine moderne und digitale Lehre würde den Lehrberuf wieder attraktiv machen, so das Credo der Ministerin.

Heimische Unternehmen reißen sich um Lehrlinge. Um den Lehrberuf schmackhaft zu machen, locken sie mit Prämien, Bildungsangeboten, Auslandspraktika – und manchmal auch Tanzkursen. (Aloysius Widman, 10.7.2018)