Pressen wir die Erde wie eine Orange bis auf den letzten Tropfen aus?

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Europa blickt einem schwierigen Moment – dem Aufstieg des Populismus – ins Auge. Dabei handelt es sich um eine Ansammlung von Ideen, häufig in Form eines aggressiven Nationalismus, der sich wiederum in fremdenfeindlichen Äußerungen und sogar als Rassismus entpuppt. Es gibt Gründe für diese Entwicklung. Viele Menschen – gerade in den benachteiligten Regionen Europas – haben den Eindruck, ihr Leben würde immer schwieriger werden: Die Sozialhilfe wird abgebaut, die Gesundheitsversorgung wird nicht mehr garantiert und die Aussicht auf einen sicheren Arbeitsplatz nimmt ab. Es überrascht nicht, dass Politiker diese Stimmung zum Wählerfang nutzen. Der Aufstieg der radikalen Rechten in Italien ist das jüngste Beispiel dafür. In Österreich mag die Situation eine ähnliche sein.

Wie darauf reagieren? Die althergebrachte Antwort wäre wohl, man müsse die Wirtschaft beleben, die Fiskalpolitik ändern, in die Produktion investieren, den öffentlichen Dienstleistungssektor reformieren – also durch Kürzungen – und so weiter. Auf der populistischen Seite gibt es Aufrufe, den Euro aufzugeben, Migranten auszuweisen, Steuern zu kürzen und den Konsum zu stimulieren. Beide Seiten fordern Wirtschaftswachstum.

Aber was wäre, wenn es einen Grund dafür gäbe, was in Europa geschieht, der nichts mit Migration zu tun hat. Der in keinem Bezug zum Euro steht und nicht durch die Finanzpolitik zu lösen ist. Was wäre, wenn wir einfach sagen, dass uns die natürlichen Rohstoffe ausgehen, die das wirtschaftliche Wachstum überhaupt erst möglich gemacht haben?

Die Grenzen des Wachstums

Das ist eine Idee, die nicht von vielen geteilt wird und sogar in vielen Lagern als häretisch angesehen wird. Aber diese Idee hat ihre Geschichte und ihre eigene Logik. Das erste Mal, dass sie in einer quantitativen Studie vertreten wurde, war 1972 im Bericht "Die Grenzen des Wachstums", der im Auftrag des Club of Rome entstand. Ja, genau, jene berühmte Studie, dermaßen verschmäht, beschimpft und dämonisiert. Das sogenannte Basisszenario des Berichts prognostizierte den Anfang des Rückgangs auf die ersten beiden Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts. Ist es das, was wir jetzt erleben?

Entgegen den weit verbreiteten Standpunkten, dass sie eine "falsche" Studie sei, basierte "Die Grenzen des Wachstums" auf soliden Konzepten und ausgiebigen Daten. Ihre zugrundeliegende Annahme war, dass die Ökonomie auf der Basis von natürlichen Ressourcen wächst und dass mit der Zeit mineralische Rohstoffe immer teurer werden würden. Ein ähnlicher Prozess vollzieht sich auch bei den nachwachsenden Rohstoffen, die dem Ökosystem schneller entwendet werden als sie nachwachsen können. Das Resultat sind stufenweise ansteigende Kosten. Wird dem der Anstieg von Umweltverschmutzung zugerechnet – insbesondere in der Form der globalen Erwärmung –, so bewirkt das, dass das ökonomische Wachstum ins Schwanken gerät; es wächst nicht mehr weiter und beginnt abzunehmen. Technologischer Fortschritt kann in den Modellen mitgerechnet werden, aber er kann den Rückgang nur hinauszögern, ihn nicht verhindern.

Beispiel Schiefergas-Boom

Die Konzepte hinter "Die Grenzen des Wachstums" wurden untersucht und neue Studien haben die grundlegenden Ergebnisse des Berichts aus dem Jahr 1972 bestätigt. Im Fall, dass diese Interpretation korrekt ist, ist all das, was heute getan wird, um der Krise entgegenzutreten, falsch. Wachstum zu stimulieren bedeutet, die Konsumrate der natürlichen Rohstoffe zu erhöhen, was das Problem verschlimmert. Ein gutes Beispiel dieses Fehlers ist der Aufstieg der Produktion von "Tight Oil" (Schieferöl) und "Tight Gas" (Schiefergas) in den Vereinigten Staaten. Diese Rohstoffe haben den Rückgang der Ölproduktion, wie sie in den USA seit den 1970-er Jahren die Regel war, umgedreht. Aber um welchen Preis? Bis jetzt haben Investoren enorme finanzielle Ressourcen in die Produktion gesteckt, ohne irgendeinen Gewinn. Wie lange kann die US-Industrie noch einen Rohstoff produzieren, der keinen Profit bringt? Und das sagt uns noch nichts über jene Umweltschäden, die größtenteils von der Öffentlichkeit bezahlt werden müssen.

Wie lange sich der Schiefergas-Boom unter diesen Konditionen noch hält – darüber kann nur gerätselt werden, aber ewig kann er nicht währen. Ähnliche Geschichten können über die meisten Mineralrohstoffe der Welt erzählt werden. Der Abbau von Mineralien wird immer teurer, und dasselbe trifft auch auf nachwachsende Rohstoffe zu, ist die Landwirtschaft doch mit der Erschöpfung von Ressourcen wie fruchtbarem Boden und Grundwasserleitern konfrontiert.

Was tun?

Also ziehen wir diese häretische Perspektive in Erwägung, dass unsere Probleme darauf zurückgehen, dass wir mehr vom Ökosystem nehmen als das Ökosystem zurückgeben kann – eine Situation, die im Englischen als "Overshoot" (Überlastung) bezeichnet wird. Und nehmen wir auch an, dass der Klimawandel eine Konsequenz dieser Situation darstellt. Was sollen wir dann machen?

Es ist eindeutig, dass wir das Entgegengesetzte von dem machen müssen, was wir bislang gemacht haben. Anstatt auf immer größerem Wachstum zu bestehen, müssen wir das ökonomische System transformieren. Also jene verschwenderische lineare Kette, die von den Rohstoffen zum Abfall führt, in eine magere, zirkuläre Schleife umwandeln, die Rohstoffe in das Produktionssystem zurückführt. Das würde der Ressourcenverschwendung entgegenwirken und die Umweltverschmutzung eliminieren oder reduzieren. Rohstoffe wären immer in jener Menge verfügbar, die notwendig ist, um die Schleife voranzutreiben.

Herausforderung Kreislaufwirtschaft

Natürlich könnte so ein System nicht ohne den kontinuierlichen Input von Energie funktionieren – daher besteht die jetzige Priorität darin, so schnell wie möglich von der sinkenden und umweltschädlichen Fossilenergie auf die immer vorhandene und nachhaltige erneuerbare Energie umzusteigen. Wenn wir Energie haben, können wir sie verwenden, um den ökonomischen Kreislauf der natürlichen Rohstoffe voranzutreiben. Wir können Metalle recyceln, das Ökosystem wiederherstellen und eine Landwirtschaft betreiben, die den fruchtbaren Boden nicht zerstört. Wenn wir eine Kreislaufwirtschaft bauen, können wir zu jener Prosperität zurückkehren, von der die Menschen korrekterweise annehmen, dass wir sie verloren hätten. Es ist eine riesige Herausforderung, aber nicht unmöglich, wenn wir aufhören, die Ökonomie in die falsche Richtung zu drehen. (Ugo Bardi, Übersetzung: Eszter Fazekas, 19.8.2018)