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Sichtlich zufrieden: Berat Albayrak, der Schwiegersohn des türkischen Präsidenten, ist neuer Finanzminister und gibt nach allgemeiner Erwartung damit auch den Kurs in der Wirtschaftspolitik vor. Er vertritt eine lockere Geldpolitik.

Reuters

Als sich die Verkündung der neuen türkischen Regierung hinzieht, beginnt die Lira schon langsam zu fallen. Gerüchte über die Bestellung von Berat Albayrak, des ehrgeizigen Schwiegersohns, zum neuen Finanzminister machen in Ankara am späten Montagabend die Runde. Dann ist es so weit: Staatschef Tayyip Erdoğan kommt in den Pressesaal seines Palasts und lässt seine Minister einen nach dem anderen unter Applaus auf die Bühne treten. Der 40 Jahre alte Schwiegersohn ist dabei.

Albayrak, der bisherige Energieminister, ist nun die Schlüsselfigur für die türkische Finanz- und Wirtschaftspolitik. Die Lira rutscht in den folgenden Stunden um 3,8 Prozentpunkte auf 4,7488 für einen US-Dollar. Am frühen Morgen, noch vor Öffnung der Börse in Istanbul, krebst die türkische Währung unter die Marke von 4,70 für den Dollar zurück und steuert mit 5,53 auf neue Höhen für den Euro zu. Der Dienstag kündigt sich schwierig für die türkische Finanzwelt an.

Lockere Geldpolitik

Anders als sein Vorgänger Naci Ağbal im Finanzressort und Mehmet Şimşek als Vizepremier und Staatsminister für die Wirtschaft gilt Berat Albayrak als Fürsprecher einer lockeren Geldpolitik. Niedrige Zinsen und staatliche Großinvestitionen sollen den Konsum in der Türkei stetig am Laufen halten. Es ist die finanzpolitische Überzeugung seines Schwiegervaters Erdoğan, die Albayrak übernommen hat.

Doch die türkische Wirtschaft ist überhitzt und die Inflation mit zuletzt 15,39 Prozent im Juni auf einem Rekordstand seit dem Bankencrash von 2000. Ausländische Investoren haben auf den Verbleib des letzten Vertreters der türkischen Boomjahre nach 2010, Mehmet Şimşek, gehofft.

Zentralbank im Visier

Einen Wirtschaftsminister gibt es in dieser ersten, verkleinerten Regierung, die Erdoğan selbst als Präsident führt, nicht mehr. Ein Bürokrat – Mustafa Varank – hat das Ressort Industrie und Entwicklung übernommen, eine auch innerhalb der Türkei wenig bekannte Geschäftsfrau, Ruhsar Pekcan, ist nun Handelsministerin. Albayrak aber – er ist mit Erdoğans ältester Tochter Esra verheiratet – wird den Kurs vorgeben. Die Unabhängigkeit der türkischen Zentralbank, die Erdoğan schon in der Vergangenheit ein ums andere Mal infrage stellte, wackelt nun.

Erdoğan zog am Ende vier neugewählte Abgeordnete seiner Partei aus dem Parlament ab und gab ihnen Ministerposten. Neben Albayrak ist Mevlüt Çavuşoğlu doch erneut Außenminister; Süleyman Soylu bleibt Innen- und Abdülhamit Gül Justizminister. Die neue Präsidialverfassung schreibt vor, dass Abgeordnete nicht gleichzeitig Regierungsämter übernehmen können. Die vier Politiker müssen deshalb ihre Mandate zurückgeben, und die AKP verliert zunächst vier Sitze. Erdoğan hatte sie im Wahlkampf als Kandidaten an prominenter Stelle aufgestellt, um den Wählern zu suggerieren, das türkische Parlament sei auch nach dem Wechsel zum Präsidialsystem eine mächtige Institution.

Armeechef wird Verteidigungsminister

Eine Premiere ist die Ernennung des bisherigen Armeechefs Hulusi Akar zum neuen Verteidigungsminister. Akar sollte im August bei der jährlichen Personalrochade an der Armeespitze ohnehin ausscheiden. Doch in den vergangenen Jahrzehnten führten Zivilisten ohne großen Einfluss auf die Armee das Verteidigungsressort. Das hat sich nun geändert. Akar gilt als loyaler Erdoğan-Folger. Der Staatschef behielt ihn nach dem vereitelten Putsch vom Sommer 2016 auf seinem Posten. Neuer türkischer Armeechef wird – wie erwartet – der Kommandeur der Landstreitkräfte Yasar Güler. (Markus Bernath, 10.7.2018)