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Deutschlands Innenminister Horst Seehofer mit seinem "Masterplan".

Foto: REUTERS/Hannibal Hanschke

Berlin/München – Mit reichlich Verspätung hat Deutschlands Innenminister Horst Seehofer am Dienstagvormittag in Berlin seinen lange angekündigten "Masterplan Migration" präsentiert. Kernanliegen des CSU-Chefs ist eine Verschärfung der Migrations- und Flüchtlingspolitik.

Seehofers Pressekonferenz begann mit einer Kampfansage an CDU und der SPD. "Das ist kein Masterplan der Koalition, sondern ein Masterplan dieses Hauses", sagte Seehofer. Er selbst wisse nicht, ob die SPD die Maßnahmen überhaupt mittrage, und vonseiten der CDU wisse er nur, das Kanzlerin Angela Merkel 62,5 von 63 Punkten zustimme.

Dem Vernehmen nach soll es künftig hinter der Grenze eine verstärkte Schleierfahndung geben; dort aufgegriffene Flüchtlinge sollen in den geplanten Ankerzentren ein beschleunigtes Prüfverfahren durchlaufen, wenn sie bereits woanders in der EU registriert sind. Seehofer will früheren "Masterplan"-Entwürfen zufolge zudem die Asylverfahren beschleunigen und Integrationsanstrengungen stärker überwachen lassen.

Videoaufzeichnungen bei der Anhörung

Neu ist die Prüfung einer Einführung von Videoaufzeichnungen bei der Anhörung von Asylbewerbern.

In dem 63-Punkte-Plan dürfte er zudem vorschlagen, Menschen, die schon anderswo in der EU einen Asylantrag gestellt haben, direkt von der deutsch-österreichischen Grenze zurückzuschicken. Voraussetzung sind bilaterale Rücknahmeabkommen. Auf diesen Kompromiss hatten sich die Unionsparteien und die große Koalition nach langem Streit geeinigt. Einer Version des Plans aus der vergangenen Woche zufolge geht es Seehofer auch darum, Asylbewerber zu sanktionieren, die nicht an der Klärung ihrer Identität mitwirken.

Kickl will hart bleiben

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hatte am Wochenende bekräftigt, bezüglich der von Seehofer wiederholt ins Spiel gebrachten Zurückweisung von Flüchtlingen an der österreichischen Grenze hart bleiben zu wollen. "Wir werden schlicht und ergreifend niemanden zurückzunehmen, für den wir nicht zuständig sind. Punkt", sagte Kickl der Zeitung "Österreich" (Sonntagsausgabe). Es habe zwei Gespräche mit Seehofer gegeben, sagte Kickl. "Er hat beide Male versprochen, keine Flüchtlinge zurückzuschicken (...) Das ist auch die einzige gesetzmäßige Position", meinte der Innenminister. Es werde jetzt Gespräche der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Italien und Griechenland geben. Aber, so Kickl: "Damit eines klar ist: Eine Vereinbarung, die zulasten Österreichs geht, werde ich in hundert Jahren nicht unterschreiben."

Die EU-Innenminister beraten am Donnerstag in Innsbruck Maßnahmen für Verschärfungen in der EU-Migrationspolitik. Auf der Tagesordnung des informellen Treffens stehen die Themen Außengrenzschutz, die Einrichtung von Rückkehrzentren in Drittstaaten, verstärkte Polizeikooperationen gegen Schlepper sowie Maßnahmen gegen Antisemitismus. Kickl will sich bei dem informellen Treffen für eine effektivere Rückführungspolitik in der Europäischen Union einsetzen. Die Einführung sogenannter Rückführungszentren wäre laut Kickl ein Beitrag dazu.

Ein entsprechendes Diskussionspapier Österreichs wurde am Montag in Brüssel bereits im Strategischen Ausschuss für Einwanderung, Grenzen und Asyl (SCIFA) erörtert. "Es geht um die Durchsetzung rechtsstaatlicher Entscheidungen. Es muss einen Unterschied geben zwischen einem positiven Asylbescheid und einem negativen Asylbescheid, zwischen Personen, die einen Aufenthaltsstatus haben und jenen, die sich illegal in Österreich aufhalten", erklärte der Innenminister gegenüber der APA.

In Deutschland wird am Dienstag erwartet, dass Seehofer in seinem "Masterplan" auch Bezug auf die jüngsten EU-Beschlüsse nimmt. Demnach sollen Migranten, die die EU erreichen, in "kontrollierten Zentren" untergebracht und auf freiwilliger Basis unter den EU-Staaten verteilt werden. Ursprünglich hatte Seehofer sein Papier bereits vor vier Wochen präsentieren wollen. Das verzögerte sich aber, nachdem Merkel Bedenken gegen Zurückweisungen an der Grenze angemeldet hatte.

Polizei warnt vor zu hohen Erwartungen

Die deutsche Bundespolizeigewerkschaft warnte vor zu hohen Erwartungen mit Blick auf eine verstärkte Schleierfahndung in Grenznähe. Niemand solle "die Illusion hegen, dass eine intensivere Schleierfahndung die illegale Migration merklich eindämmt", sagte der Bundesvorsitzende Ernst G. Walter der "Welt" (Dienstag). "Dazu müssten wir die Aufgegriffenen auch in Gewahrsam nehmen dürfen. Das ist aber rechtlich ausgeschlossen." Solange die Aufgegriffenen nicht gesichert untergebracht würden, nütze die "schönste Schleierfahndung nichts".

Einige von Seehofers Maßnahmen können nur funktionieren, wenn andere Staaten mitziehen. Italien sperrt sich bisher jedoch gegen eine Rücknahme der Asylbewerber von der deutsch-österreichischen Grenze. In Nordafrika ist kein Land bereit, die von Seehofer vorgeschlagenen Aufnahmezentren für im Mittelmeer gerettete Migranten auf seinem Staatsgebiet zu tolerieren.

Zuletzt hatte ein Vorstoß des italienischen Innenministers Matteo Salvini für weiteres Aufsehen gesorgt. Salvini will demnach die Hafensperre für Flüchtlingsrettungsschiffe von Hilfsorganisationen ausweiten und künftig auch Militärschiffen internationaler Missionen das Anlegen in italienischen Häfen verwehren. Ob es so kommt, ist unklar. Bernd Mesovic, Sprecher der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, sagte der "Bild"-Zeitung (Dienstag): "Salvini will die Gewöhnung der Europäer an das Sterbenlassen. Der Besuch des Papstes auf Lampedusa liegt offenbar lange genug zurück. Da kann man vergessen, dass auf der anderen Seite des Meeres die Hölle auf Erden liegt."

Die rechtspopulistische AfD rechnet nach den Worten von Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel nicht damit, dass die Maßnahmen im "Masterplan Migration" von Seehofer auch in die Tat umgesetzt werden. "Das sind natürlich Lippenbekenntnisse, die größtenteils von der AfD abgeschrieben wurden", sagte Weidel der Deutschen Presseagentur. Seehofers Plan sei aber auch gar "nicht dafür gedacht, dass er tatsächlich umgesetzt wird", fügte sie hinzu. (red, APA, 10.7.2018)