München – Bauchspeicheldrüsenkrebs zählt zu den aggressivsten Tumortypen überhaupt, da er früh anfängt, Metastasen in Lunge oder Leber zu bilden. Zudem wird der Krebs meist erst spät entdeckt. Was die Forschung bislang weiß: Patienten, die ausschließlich Lungenmetastasen entwickeln, haben bessere Prognosen für den Krankheitsverlauf. Welches Organ von den Krebszellen bevorzugt wird, hängt von ihrer Fähigkeit ab, sich und ihr Erscheinungsbild zu verändern, haben nun Forscher der Technischen Universität München (TUM) herausgefunden.

Befinden sich Zellen in einem Gewebe oder Tumor, bilden sie Kontakte zu anderen Zellen aus und haben eine pflastersteinartige Form. Krebszellen, die Metastasen bilden, müssen zuerst ihre Form und Eigenschaften verändern, ihren Stoffwechsel umstellen und sich aus dem Zellverband des Tumors lösen. Sie werden dadurch schmal und länglich und gelangen in angrenzende Blutgefäße.

Das Blut nutzen sie als Transportmittel, um andere Organe zu erreichen und ihr Gewebe zu befallen. Dazu ist aber erneut eine Veränderung notwendig. Die Zellen müssen wieder Kontakt zu anderen Zellen ausbilden können, um sich gewissermaßen an ihnen "festzuhalten". Aber nicht alle Krebszellen besitzen diese Wandelbarkeit, die sogenannte Plastizität. Wissenschafter der TUM haben nun in einer Studie herausgefunden, warum das so ist, und welche Folgen das für die Ausbreitung von Bauchspeicheldrüsentumoren hat.

Molekularer "Kleber"

"Wir konnten zeigen, dass vor allem das Befallen der Leber von der Plastizität der Tumorzelle abhängt. Kann die Zelle keine Zell-Zell-Kontakte ausbilden, so wird sie mit dem Blutstrom passiv weiter in die Lunge gespült, wo sie hängen bleibt", erklärt Studienleiter Maximilian Reichert. "Für Patienten ist dieser Verlauf günstiger, da Lungentumore besser kontrollierbar sind", ergänzt der Experte.

Entscheidend für die Wandelbarkeit einer Tumorzelle ist ein molekularer "Kleber": das Protein E-Cadherin. Es sitzt auf der Zelloberfläche und ist für Zell-Zell-Kontakte verantwortlich. Das Forschungsteam entdeckte in einem Mausmodell, dass die Abwesenheit von E-Cadherin dazu führt, dass Tumorzellen aus dem Bauchspeicheldrüsenkrebs nur in die Lunge "streuen", nicht aber in die Leber. War das Protein vorhanden und funktionsfähig, so konnten die Tumorzellen auch in die Leber eindringen.

Den Forschern zufolge können sich die Krebszellen über den engen Zell-Zell-Kontakt durch E-Cadherin im Lebergewebe verankern und so das Organ befallen. Den Wissenschaftern ist es nun gelungen, die "Dichte" von E-Cadherin so zu verändern, dass die Metastasierung in den Tieren gesteuert werden konnte.

Einfluss der Epigenetik

Was sie noch vermuten: Im Tumor werden diese Mechanismen offenbar über sogenannte epigenetische Programme gelenkt. Dabei wird das Erbgut – die DNA – nicht selbst verändert, sondern chemische Faktoren beeinflussen, wie stark oder schwach ein Abschnitt der DNA abgelesen wird. Nun wollen die Forscher herausfinden, ob sich diese epigenetischen Programme hemmen lassen oder als Angriffspunkt für Therapien eignen. "Je besser wir die Bildung von Metastasen verstehen, umso eher können wir sie beeinflussen. Gerade beim Bauchspeicheldrüsenkrebs wäre das wichtig, denn fast alle Patienten sterben an den Metastasen", sagt Reichert. (red, 10.7.2018)