Ausnahmetalent: Kylian Mbappé.

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Moskau – Cristiano Ronaldo bastelt an den letzten Details seines Wechsels zu Juventus Turin, Lionel Messi ist abgetaucht. Die beiden überragenden Fußballer des Jahrzehnts haben mit der WM in Russland nichts mehr am Hut. Dieser Umstand verschafft einer zuletzt gähnend langweiligen Veranstaltung neuen Schwung: Die Weltfußballerwahl ist vollkommen offen – zum ersten Mal seit Jahren.

Einige Kandidaten

"Viele Leute sprechen über den Kampf zwischen Ronaldo und Messi, aber es gibt andere Spieler, die auch im Rennen sind", sagt selbst Ronaldo. Und weil die beiden Superstars in Russland geschwächelt haben, stehen die Chancen nun für Kevin De Bruyne, Harry Kane, Kylian Mbappé, Luka Modric oder vielleicht auch den selbsternannten Kronprinzen Neymar so gut wie lange nicht, die zuletzt geschlossene Party bei den The Best Fifa Football Awards am 24. September in London zu crashen.

In den vergangenen zehn Jahren teilten Ronaldo und Messi die Trophäen unter sich auf: Fünf bekam der Portugiese, fünf der Argentinier. Nun könnte die Zeit reif sein für eine Wachablöse. "Kylian Mbappé ist der Beste des Turniers. Seine Schnelligkeit, sein Gespür für den Tempogegenstoß, dazu seine Ballfertigkeit und Schusstechnik machen ihn zum Ausnahmekönner", sagte zum Beispiel der deutsche Ex-Bundestrainer Berti Vogts dem "Kicker" über seinen Favoriten aus Frankreich: "Wie er hinter die Verteidigungslinie kommt, wie er im Höchsttempo ohne Ball sprintet und den Gegner vor unlösbare Probleme stellt – Mbappé ist der Beste, und dabei noch so jung."

De Bruyne ist heiß

Doch auch die anderen Herausforderer haben gute Argumente: De Bruyne wurde mit Manchester City englischer Meister und brilliert in Russland zusammen mit Eden Hazard. "Kevin verdient das, und das sage ich nicht, weil ich Belgier bin", sagte Torwartikone Jean-Marie Pfaff über den früheren Wolfsburger und Bremer Spielmacher.

Harry Kane ist das Gesicht des Aufschwungs der Three Lions, Modric ist Kroatiens Dirigent und holte an der Seite von Ronaldo in Kiew den dritten Champions-League-Titel in Serie für Real Madrid. Und Neymar ist eben Neymar, der 220-Millionen-Mann von Paris St. Germain wandelt stets zwischen Genie und Wahnsinn, von der WM wird aber wohl vor allem seine peinliche Schauspielerei bleiben.

Vorauslese durch 13-köpfige Jury

Bis zum 23. Juli trifft eine 13-köpfige Jury mit Legenden wie Lothar Matthäus und dem Brasilianer Ronaldo eine Vorauslese, gab die Fifa in Moskau bekannt. Und dann stimmen Kapitäne und Trainer aller Nationalteams, Fans sowie Medienvertreter bis zum 10. August über den Nachfolger von Ronaldo ab. Holt sich der Portugiese doch seinen dritten Titel in Serie ab?

Die Eindrücke der WM könnten entscheidend sein, denn die Wahl liegt mittlerweile viel näher am Saisonhöhepunkt. Bis 2016 lief die Weltfußballerwahl noch bis in den Winter hinein.

Das gebrochene ungeschriebene Gesetz

Dennoch: Kane und Co sollten sich nicht vorschnelle Hoffnungen machen. Seit die Trainer und Kapitäne aller in der Fifa registrierten Nationalteams 1991 erstmals den Weltfußballer wählten, gab es lange ein ungeschriebenes Gesetz: Der Sieger in WM-Jahren kommt aus der Elf des Weltmeisters. Bei der ersten Wahl war das mit einem Jahr Verspätung Matthäus, bis heute einziger Deutscher, der die Auszeichnung erhalten hat. 1994 folgte der Brasilianer Romario, 1998 der Franzose Zinedine Zidane, 2002 der Brasilianer Ronaldo und 2006, als bislang einziger Abwehrspieler, der Italiener Fabio Cannavaro.

Doch mit dem steilen Aufstieg von Ronaldo und Messi änderte sich alles. Die Weltstars, die niemals Weltmeister wurden, räumten seit 2008 auch in den WM-Jahren die Titel trotz gewöhnlicher Leistungen bei den Turnieren ab. 2010 verdrängte Messi den spanischen Weltmeister Andres Iniesta auf den zweiten Platz. 2014 wurde WM-Triumphator Manuel Neuer sogar nur Dritter – hinter Messi und Ronaldo. (sid, 10.7.2018)