Klein, aber Wahnsinn: Das neue All Reis in Wien-Fünfhaus ist ein Thai-Imbiss der absoluten Topliga.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Salat mit knusprig gebratener Ente und knusprigem Klebreispulver, Koriander und Lauchsprossen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Talad Thai im 15. Bezirk ist eine Pflichtadresse für Wiens heimwehkranke südostasiatische Community und all jene, die sich gern selbst an den verstörend köstlichen Küchen dieser Weltgegend versuchen. Was da (jeden Dienstag!) an frischem, hochexotischem Gemüse und Obst aus Bangkok angeflogen kommt – und was, nicht zuletzt, die vergangenen Jahre im Hinterzimmer an Herrlichkeiten aufgetischt wurde, um gemeinsam mit ständig kommenden und gehenden Mitgliedern der Wiener Thai-Community genossen zu werden -, das gehörte fraglos zum Beglückendsten, was der siechende Fernwehkranke sich hierorts an Abhilfe schaffen konnte.

Jetzt ist alles noch um ein Eckhaus besser geworden. Schräg vis-à-vis haben die Betreiber seit vergangener Woche einen Imbiss samt offener Küche aufgesperrt, der es in sich hat. Richtig hübsch ist er außerdem geworden, mit massiven Holztischen, Rattan-Lampenschirmen und, vor allem, überaus zugewandtem Personal, das dem mehr oder minder ahnungslosen Gast ("same same but different") die Feinheiten der thailändischen Küche nahebringt.

Und die gibt es hier auf eine Art zu entdecken, wie man sie abseits des Königreichs (und erst recht in Europa) sehr lange suchen muss. Die Wiener Thai-Community weiß das natürlich, dementsprechend dicht sind die Tische besetzt. Dass vorzugs- und flaschenweise Rotwein getrunken wird, mag der Feierstimmung der ersten Tage geschuldet gewesen sein – dass die Kundschaft dezidiert aufgebrezelt erscheint, hoffentlich auch. Ansonsten würde man sich als Langnase im T-Shirt kaum herein wagen wollen. Angesichts der Hitze, die hier am Gaumen entfacht wird, keine gute Sache.

Dabei sind bei Weitem nicht alle Speisen scharf, nur verdammt köstlich gewürzt. Bei den Nudelsuppentöpfen kann man aus dreierlei Nudeln wählen, die Brühe ist fantastisch dicht und leicht zugleich, mit kurz gegartem Fleisch und pfefferwürzigen Wurstflummis, auf Wunsch auch gestocktem, cremig elastischem Schweineblut, dazu knackigen Wasserspinat und ideal bissfeste Nudeln – allein für so einen Topf Glück lohnt sich die Reise.

Köstlich bis arg

Papayasalat ist in allerhand Abstufungen von köstlich bis arg gut zu haben, stets mit getrockneten Shrimps, die am Gaumen kleine Geschmacksbomben zünden, manchmal mit aromatisch stinkiger Fischpaste wie im Nordosten Thailands üblich. Wer bei "scharf?" nickt, wird mit animierend juckender Kopfhaut und erfrischender Eigendusche belohnt, sehr zu empfehlen. Frühlingsrollen, selbst gerollt und gut 20 Zentimeter lang, betören mit luftig ziehigem Teig und feiner Gemüsefülle, wunderbar. Betelblätter füllt man sich selbst mit gerösteter Kokosnuss und ebensolchen Erdnüssen, mit den bereits bekannten Trocken-Shrimps, Ingwer, Schalotten, Chili und Limettenschnitzen, bevor sie in wild aromatische Tamarinden-Salsa mit fermentierten Krabben getunkt werden: hinreißend.

Und so geht es in einem fort: Gebratene Calamari mit Thai-Basilikum, butterweich, duftig, abenteuerlich gut; Salat mit knusprig gebratener Ente und knusprigem Klebreispulver, Koriander, Lauchsprossen und mehr, unglaublich saftig, abermals von geheimnisvoller Aromatik umweht, frisch und düster zugleich (siehe Bild). Dazu empfiehlt der Service Klebreis – will man haben, danke. Thai-Broccoli mit knusprigem Schweinefleisch ist geradezu existenziell knackig, die Sauce abermals herrlich, das Schwein offenbar luftgetrocknet und eingesalzen, dann frittiert: Geschmacksexplosion, sobald man die zachen Teile erst einmal derbissen hat. Das alles macht sehr glücklich und durstig. Chang-Bier ist dazu der süßliche, Singha der jeden Beigeschmacks befreite Feuerlöscher der Wahl. (Severin Corti, RONDO, 13.7.2018)