Das Studium der flämischen Meister wurde unter Johann Baptist Drechsler an der Wiener Porzellanmanufaktur Pflichtfach.


Foto: Johann Stoll / Belvedere Wien

Als man im Belvedere 2007 mit Gartenlust. Der Garten in der Kunst Wege zum Glück beschritt, war das Tal der Tränen nach der geplatzten Dotcomblase für viele, nunmehr ehemalige Jungunternehmer noch nicht durchschritten. Die Flucht ins "neue Biedermeier" war noch neo, und die Städter zärtelten ihre Paradeiser und Chilischoten, Ranunkeln und Stiefmütterchen noch im Blumenkisterl vor dem Fenster und nicht im Gemeinschaftsgarten. Die Schau reihte sich damals ein in Gründidyllenausstellungen wie Art of the Garden 2004 in der Tate oder Ordnung, Inspiration, Glück 2006 im Frankfurter Städel-Museum.

Inzwischen wirft der "Garten" reiche Ernte ab, allein die Büchertische biegen sich unter Bildbänden und Ratgebern, und Kunstausstellungen zum Thema fallen in unserer Grün- und Blührenaissance gar nicht mehr auf. Nicht alles ist allerdings purer Eskapismus: Ökologische Dringlichkeiten lenken den Blick ebenfalls auf das, was Wurzeln schlägt. Auch für pathosreiche Metaphern ist das Grünzeug heutzutage gut: Die Manifesta 12 in Palermo hat uns mit The Planetary Garden jüngst an eine Weltsicht erinnert, die die harmonische Koexistenz der heimischen und fremden Arten in kultivierten Räumen bejaht.

Nostalgisch mutet hingegen das florale Kapitel an, das Sag's durch die Blume! Wiener Blumenmalerei von Waldmüller bis Klimt aktuell in der Orangerie des Belvedere (bis 30. 9.) oder Paradisus Vindobonensis. Blumenaquarelle von Anton Hartinger im Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste (bis 26. 8.) aufschlagen. Und dennoch muss man beide Schauen als Teil des Grünbooms sehen: So selbstbewusst wäre der Fokus auf kunstgeschichtliche "Orchideen" vor wenigen Jahren nicht ausgefallen.

Florale Beute

Den Ausstellungen gemein ist der Blick aufs 19. Jahrhundert, als die Blumenmalerei in Wien erblühte, ja zum Inbegriff der Kunst des Biedermeier wurde. Die Hochphase erklärt sich mit dem Wissensdurst der Aufklärung, der zu allerlei Expeditionen in entlegenste Gebiete anstachelte, wo man Beute in Form unbekannter Fauna und Flora machte. Infolge etablierte sich die Botanik als eigenständige Naturwissenschaft, man klassifizierte, illustrierte und hegte die neue Exotik in botanischen Gärten. Diversität, das war noch eine andere Kategorie.

Dass in Österreich Kaiser Franz I. (1768-1835) ganz besonders den Boden für die allgemeine Pflanzenpassion bereitet hat, bleibt leider nahezu unerwähnt. Franz I., der den Beruf des Gärtners erlernt hatte, lebte seinen Untertanen quasi die Leidenschaft für Pflanzenkunde vor. Zur Kollektionserweiterung schickte der "Blumenkaiser" Gärtner und Botaniker auf Expeditionen und schuf sogar die Stelle eines Hofpflanzenmalers.

Eine weitere Wiener Spezialität: die Zeichenschule der Porzellanmanufaktur und die "Schule für Blumen, Früchte und Thiermalerei" an der Akademie. Und auch die botanische Prachtpublikation Endlicher's Paradisus Vindobonensis, für die Johann Hartinger aquarellierte, baute auf die Popularität der floralen Liebe. Im Belevedere lässt man statt Aquarellen eher die Kraft von Gemälden wirken. Atemberaubend allein Johann Knapps monumentale Huldigung des Botanikers Jacquin (2,2 mal 1,6 Meter): Ein pfiffiger Kakadu hilft beim Sortieren der Pflanzenpracht, während ein keckes Äffchen Schabernack treibt.

Die in Öl verewigten üppigen Gebinde erinnern an die Vorbilder aus der großen Epoche der Blumenmalerei, als Blumenstillleben eine eigene Gattung wurden: Während die Tulpomanie der 1630er – die erste dokumentierte Spekulationsblase – die Preise für manch Blumenzwiebel ins Unanständige schießen ließ, schufen Meister wie Ambrosius Bosschaert Memento mori, die mit welkenden Blüten und Schmetterlingen an die Flüchtigkeit irdischen Daseins erinnerten.

Schöne und harmlose Blumenbilder? Im Zweifelsfall: nein. (Anne Katrin Feßler, 11.7.2018)