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Donald Trump einsam unter Verbündeten beim Nato-Gipfel 2017. Mit Spannung wird dem Besuch des US-Präsidenten entgegengesehen. Im Vorfeld hat er schon blaue Briefe an Nato-Partner verschickt.

Foto: Reuters / Christian Hartmann

Wird Donald Trump die europäischen Partner wieder frontal attackieren? Oder versucht der US-Präsident bei seinem zweiten Besuch im Nato-Hauptquartier in Brüssel seit dem Amtsantritt im Jänner 2017, sich einigermaßen an die gemeinsamen Zielsetzungen der Allianz zu halten, auf einen Eklat wie zuletzt beim G7-Treffen in Kanada zu verzichten? Das war vor dem Mittwoch beginnenden Nato-Gipfeltreffen unter Diplomaten die häufigste Frage.

Beim Nato-Gipfel in Brüssel werden heftige Diskussionen über das Verteidigungsbudget der Mitglieder erwartet.
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Die Aussichten auf einen konstruktiven Verlauf wurden als ungünstig eingestuft. Via Twitter hatte Trump erneut die Partner jenseits des Atlantiks heftig kritisiert, weil ihre Beiträge zum Nato-Budget viel zu niedrig seien. "Das ist nicht fair, es ist nicht akzeptabel", schrieb der US-Präsident.

Insbesondere auf Deutschland hat er es abgesehen. Und er zog – kein Zufall – eine direkte Linie zum Handelsstreit, den Exportüberschüssen, die die Europäer nach seiner Lesart im reinen Warenhandel ohne Dienstleistungen gegenüber den USA unrechtmäßig erzielten. Nach Sanktionen auf Stahl und Aluminium droht er mit hohen Zöllen auf Autos – nicht nur, aber vor allem – made in Germany.

Handels- und Rüstungsstreit

All das erinnert an den ersten Auftritt Trumps in Brüssel im Mai 2017 bei der Einweihung der neu gebauten Nato-Zentrale. In einer wenig feierlichen Rede stellte er die EU-Regierungschefs öffentlich bloß. Nicht einmal das Herzstück der Nato, die Beistandspflicht der Partner im Falle eines Angriffs, mochte er damals klar bestätigen, was Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel später sagen ließ, die Europäer müssten ihre eigene Sicherheit nun viel stärker in die Hand nehmen.

Dabei gäbe es bei diesem auf zwei Tage angesetzten Nato-Gipfel in der Sache viel zu besprechen und zu erledigen. Am Montag wird der US-Präsident in Helsinki den russischen Präsidenten Wladimir Putin treffen. EU und Nato müssen also eine Linie finden, wie es bei den Sanktionen gegen Moskau weitergehen soll. Auf der Tagesordnung steht die weitere Umsetzung von Nato-Reform und der Zehnjahresstrategie, wie sie im Herbst 2014 in Cardiff vereinbart worden war.

Die Anhebung der Militärausgaben auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP), das Trump penetrant einmahnt, ist dabei nur ein Teil der Pläne. Tatsächlich erreichen derzeit von 29 Nato-Mitgliedern nur drei aus Europa diese Marke: Großbritannien (2,12 Prozent), Griechenland (2,36) und Estland (2,08). Deutschland lag 2017 mit 1,24 Prozent des BIP oder 37 Milliarden Euro für Militäraufgaben abgeschlagen hinter den Partnern. Angela Merkel hat zwar angekündigt, bis 2025 eine Erhöhung auf 1,5 Prozent realisieren zu wollen, bliebe damit aber weit unter dem Soll. Mit mehr als 70 Prozent tragen die USA auch die Hauptlast im Nato-Budget.

EU-Verteidigungspolitik

Das alles drückt negativ auf den von den europäischen Nato-Partnern erst im Dezember beschlossenen Ausbau einer "verstärkten gemeinsamen Verteidigungspolitik" in der EU auf freiwilliger Basis. Eine solche soll als eigener "Pfeiler" in der transatlantischen Allianz wirken. Am Dienstag unterzeichnete Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk (siehe unten) ein Kooperationsabkommen.

Dass Trump die vorbereiteten Gipfelerklärungen verwirft wie beim G7-Gipfel vor einigen Wochen, ist bei allem Streit unwahrscheinlich. Die Allianz hat seit dem Nato-Gipfel in Warschau vor zwei Jahren gute Fortschritte gemacht. So hat sie wegen der Drohungen aus Russland in Osteuropa, dem Baltikum und Polen mehrere Bataillone mit 4000 Soldaten im Einsatz. Die schnelle Eingreiftruppe wird laufend ausgebaut.

Mazedonien als 30. Mitglied

Nun soll eine "Vier-mal-dreißig-Initiative" beschlossen werden. Binnen 30 Tagen sollen 30 Heeresbataillone, 30 Flugzeuge, 30 Schiffe verlegbar sein. Zieldatum ist das Jahr 2020. Es ist unklar, ob man sich bereits jetzt darauf einigen kann.

Und es soll in Ulm und Norfolk/USA neue Kommandozentralen geben. Entgegen früherer Rückzugspläne soll die Präsenz in Afghanistan bis 2024 budgetär abgesichert werden. Die Nato wird auch erneut erweitert. Der Gipfel wird Mazedonien zu Beitrittsverhandlungen einladen. Zuletzt war dies 2016 beim Gipfel in Warschau bei Montenegro der Fall, das 2017 beitrat. (Thomas Mayer aus Brüssel, 11.7.2018)