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Mitte Juni freuten sich der mazedonische Premier Zaev und sein griechischer Amtskollege Tsipras über den Kompromiss im Namensstreit.

Foto: Reuters/Alkis Konstantinidis

London/Wien – Die Einladung kommt spät, sie hätte schon vor zehn Jahren ausgesprochen werden sollen, hätte Griechenland dies nicht verhindert. Beim Nato-Gipfel am Mittwoch und Donnerstag in Brüssel wird der mazedonische Premierminister Zoran Zaev das Angebot zum Beitritt zum Militärbündnis endlich entgegennehmen. Doch bevor Mazedonien tatsächlich das 30. Mitglied des Nordatlantikpakts werden kann, müssen noch einige Hürden genommen werden.

Die "echte Herausforderung" werde sein, ob ausreichend Mazedonier an dem Referendum Ende September teilnehmen werden, meinte EU-Kommissar Johannes Hahn beim Balkangipfel in London am Dienstag.

Referendum könnte an geringer Beteiligung scheitern

Bei dem Referendum wird die mazedonische Bevölkerung darüber abstimmen, ob sie mit der Vereinbarung über die Lösung des Namensstreits mit Griechenland, die kürzlich getroffen wurde, einverstanden ist. Es ist damit zu rechnen, dass die Mehrheit dem Abkommen zustimmen wird – allerdings müssen 50 Prozent der Wahlberechtigten an der Volksbefragung teilnehmen, damit sie gültig ist.

Und ob das gelingen wird, ist fraglich. Denn die nationalkonservative Oppositionspartei VMRO-DPMNE mobilisiert gegen das Abkommen und versucht den Mazedoniern einzureden, dass dadurch ihre Identität gefährdet sei. Zuletzt versuchte sie auch die notwendige neue Wahlkommission zu verhindern, damit das Referendum erst gar nicht stattfinden kann.

"Nord-Mazedonien"

Laut dem Abkommen soll Mazedonien in Zukunft auf Wunsch Griechenlands Nord-Mazedonien heißen. Die griechische Regierung hat im Gegenzug versprochen, den Nato- und EU-Beitritt des nördlichen Nachbarn nicht mehr zu blockieren. Das Referendum Ende September ist zwar rechtlich nicht bindend, Mazedonien muss aber zur Umsetzung des Abkommens die Verfassung ändern und braucht deshalb eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Mithilfe eines positiven Referendumsergebnisses soll das erreicht werden.

"Es geht um die Legitimität des Abkommens", so Hahn. Dennoch könnte das Referendum – falls zu wenige daran teilnehmen – auch zu einer Falle werden. Hahn verwies am Dienstag darauf, wie wichtig es sei, dass man aus dem Referendum keine parteipolitische Auseinandersetzung – also einen Machtkampf zwischen Regierung und Opposition – macht. Denn ansonsten gäbe es eine "große Wahrscheinlichkeit, dass das Referendum scheitert".

Mazedonische Diaspora entscheidend

Entscheidend wird sein, ob auch die Diaspora an der Abstimmung teilnehmen kann – etwa 200.000 Personen. Mazedonien hat etwas über zwei Millionen Bürger, weil aber so viele ausgewandert sind, ist es schwierig, mit den im Land lebenden die notwendige Beteiligungsquote zu erreichen. Läuft jedoch alles nach Plan, könnte Griechenland das Nato-Beitrittsprotokoll und das Abkommen über den Namensstreit Anfang kommenden Jahres – nach den Verfassungsänderungen in Mazedonien – ratifizieren.

Auch in Griechenland hat das Abkommen zur Beilegung des Namensstreits erhebliche politische Folgen. Es beschleunigt nun die Auflösung der Links-rechts-Koalition von Premier Alexis Tsipras und Verteidigungsminister Panos Kammenos. Das seit Anfang 2015 regierende Bündnis der linken Syriza und der kleinen rechtspopulistischen Anel (Unabhängige Griechen) hat mit dem Ende des Kreditprogramms der Gläubiger im August ohnehin kein gemeinsames Projekt mehr.

Griechenlands Regierung steuert auf Ende zu

Die Koalitionspartner steuern deshalb auf eine gütliche Trennung zu. Neuwahlen zeitgleich mit den Europawahlen im Mai 2019 oder gar schon diesen Herbst sind ein mögliches Szenario. Tsipras wie Kammenos halten nach einem für sie jeweils günstigen Zeitpunkt Ausschau, doch zu viel ist im Fluss: Was geschieht, wenn die Ratifizierung des Abkommens in Skopje scheitert? Wird sich die Regierung dann mit ihrer auf zwei Stimmen geschrumpften Mehrheit bis zum regulären Wahltermin im September 2019 schleppen?

Umfragen zufolge sind zwei Drittel der Griechen nach wie vor gegen einen Namen für das Nachbarland, in dem das Wort "Mazedonien" vorkommt. Ein Referendum wird Tsipras deshalb vermeiden. Neuwahlen und eine freie Abstimmung im Parlament zur Ratifizierung des Mazedonien-Abkommens mit einer verfassungsändernden Mehrheit von 180 Stimmen sind für die Befürworter der einzig gangbare Weg. Die Chancen dafür sind nicht so schlecht. Die Mazedonien-Frage hat die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia gespalten; der rechtsgerichtete Teil ist gegen das Abkommen. Der bisher in der rechten Mitte stehende Parteichef Kyriakos Mitsotakis stützt den rechten Flügel – aber wohl ohne innere Überzeugung.

Vor allem Mazedoniens Albaner für Nato-Beitritt

Einige EU-Staaten und die EU-Kommission werden sich jedenfalls in der Mazedonien-Frage weiter mit Verve engagieren. "Derweil ist es wichtig, dass nicht der Eindruck entsteht, dass die EU etwas aufdrängt. Deshalb vermeide ich es auch, von Nord-Mazedonien zu sprechen und damit so zu tun, als wäre der Deal schon durch", so Hahn. Er wird jedenfalls kommende Woche wieder nach Mazedonien reisen, auch um die Botschaft zu verbreiten, "dass sich dieser Deal bezahlt macht", wie er am Dienstag sagte.

Die Mehrheit im Land ist für den Beitritt zur Nato. Die Nato-Mitgliedschaft ist aber vor allem den Albanern in Mazedonien ein Anliegen, unter den mazedonischsprachigen Mazedoniern gibt es hingegen auch Nato-Gegner.

Schirm gegen Russland

Für sie ist der EU-Beitritt viel wichtiger als der Nato-Beitritt. Die EU-Kommission hat die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen empfohlen, und die EU-Mitgliedsstaaten haben sich geeinigt, diese ab Mitte 2019 zu ermöglichen. Allerdings gab es massiven Widerstand von Frankreich, den Niederlanden und Dänemark.

Die Mitgliedschaft Mazedoniens ist für die Nato wichtig, weil es darum geht, den Einfluss Russlands auf dem Balkan in Grenzen zu halten. Insbesondere die VMRO-DPMNE war in den letzten Jahren zunehmend unter russischen Einfluss geraten, was auch an strategisch wichtigen Entscheidungen in der Energiepolitik ersichtlich war. Zudem folgte sie dem Modell "Putin" – also einem starken Mann an der Spitze, schwachen Institutionen und der Aushöhlung des Rechtsstaats. (Markus Bernath, Adelheid Wölfl, 11.7.2018)