Nach der WM 2014 war vor der WM 2018, also hatten DFB-Chef Grindel (li.) und Teamdirektor Bierhoff es relativ leicht, gute Laune zu verbreiten. Nach der WM 2018 sind die Lage und die Laune andere.

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Deutschland ist Deutschland ist Deutschland, also wird die Angst vor bleibenden Schäden des Fußball-WM-Desasters und der sogenannten Affäre Özil dort immer größer. Reinhard Grindel, Präsident des deutschen Fußballbunds (DFB), hat am Montag "gravierende Veränderungen" angekündigt.

Doch viele Fans und auch Teile der Politik, die sich immer lauter zu Wort meldet, wollen sich damit nicht zufriedengeben. Grindel steht arg in der Kritik, da er zu einem Treffen Özils (und Ilkay Gündogans) mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogans zunächst wochenlang nicht Stellung bezogen und dann, nach dem WM-Aus in der Vorrunde, plötzlich eine Erklärung Özils gefordert hatte.

Für Dagmar Freitag (SPD), die Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, steht gar die gesellschaftspolitische Bedeutung der Fußballnationalmannschaft auf dem Spiel. Von Ballflachhalten also keine Spur.

Sorge

Im Kicker-Interview ließ Grindel durchblicken, dass das WM-Aus personelle Konsequenzen nach sich ziehen werde – allerdings eher auf unterer Ebene. "Ich weiß sehr wohl, dass eine Trennung von dem einen oder anderen Mitarbeiter schmerzlich und schwer sein wird, weil Jogi Löw ein zutiefst loyaler Mensch mit einer hohen sozialen Kompetenz ist. Aber die Signale aus der Mannschaft und von Oliver Bierhoff sagen mir, dass es personelle Entscheidungen geben muss", wurde der DFB-Präsident zitiert. Ende August werde das Präsidium "hoffentlich Weichen" stellen, die "uns zu alter Stärke führen".

Im politischen Berlin herrscht längst die Sorge, dass dies zumindest in puncto Integrationskraft des A-Teams nicht mehr möglich sein wird. "Der Umgang mit der Causa Özil/Gündogan hat das Potenzial, zu gefährden, was diese Nationalmannschaft in den letzten Jahren zu Recht auch verkörpert hat: Integration kann gelingen. Auch oder vor allem im Sport", sagt Freitag.

Die Angelegenheit sei, sagt die SPD-Politikerin, "dermaßen verfahren, dass es nur noch Verlierer geben kann: Özil, Verband und die Gesellschaft". Freitag kritisiert in diesem Zusammenhang Grindel und Bierhoff. "Wenn jemand nach einem Rückweg sucht, soll man helfen", zitiert sie den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. "Ob der DFB Özil gerade eine Brücke baut, über die beide zu gehen bereit sind, erscheint mir zumindest zweifelhaft." Sie halte es für "fatal, dass die Kommunikation zurzeit einseitig über die Medien läuft. Ein Spieler, der schweigt, ein Verband, dessen Spitze redet und sich auch noch missverstanden fühlt."

Bierhoff rudert

Damit bezieht sich Freitag auf Teamdirektor Bierhoff, der im Interview mit der Welt deutliche Worte zu Özil gefunden hatte, wenig später aber noch deutlicher zurückgerudert ist. "Man hätte überlegen müssen, ob man sportlich auf Özil verzichtet", hatte Bierhoff der Welt gesagt. Später sagte er: "anders gemeint", "missverständlich", "falsch ausgedrückt", "es tut mir leid".

Auch Armin Laschet (CDU), dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, missfällt die Sündenbockrolle, die Özil vom DFB nun vielleicht zugedacht ist. "Auf die Idee, dass ein Foto mit Erdogan an der Niederlage gegen den Fußballgiganten Südkorea schuld sein soll, können auch nur DFB-Funktionäre nach drei Wochen Nachdenken kommen", twitterte Laschet.

Gerüchte, der seit Wochen schweigende und derzeit urlaubende Mesut Özil wolle sich, wie von Grindel vehement gefordert, nun doch öffentlich äußern, ließen sich bis dato nicht erhärten. Özils Vater Mustafa freilich sagte: "An Mesuts Stelle würde ich zurücktreten."

So oder so ist wohl vor allem der DFB gefordert. "Das Krisenmanagement der DFB-Spitze nach dem WM-Aus war kein gutes, das gilt insbesondere für die Causa Özil", sagt Ex-DFB-Vize Rainer Milkoreit. Es werde sehr schwer werden, "unbeschadet aus dieser Nummer herauszukommen – das gilt für Mesut Özil ebenso wie für Oliver Bierhoff". (sid, red, 10.7.2018)