Was SPD-Chefin Andrea Nahles von Horst Seehofers Masterplan zur deutschen Migrationspolitik bisher sah, gefällt ihr und ihren Genossen gar nicht.

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Der Masterplan des deutschen Innenministers Horst Seehofer (CSU) hatte zuletzt durchaus Parallelen zum Monster von Loch Ness gehabt: Es gab viele Gerüchte um seine Existenz – aber wirklich gesehen hatte den Plan kaum jemand. Vom "Desasterplan" war in Berlin bereits die Rede. Doch am Dienstag war es so weit: Seehofer stellte sein Opus mit vierwöchiger Verspätung vor. Eine erste Präsentation hatte er ja kurzfristig absagen müssen, weil er sich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht über die Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze einig war. Es folgte ein tagelanges Gezerre, Seehofer drohte mit einem nationalen Alleingang.

Doch davon wollte er am Dienstag nichts mehr wissen, sondern lieber in die Zukunft blicken: "Es ist wichtig, dass wir die Migrationspolitik auf saubere Grundlagen stellen." Außerdem sprach er von einer "Asylwende", die er einleiten wolle.

Überraschendes Wording

Gleich zu Beginn der Vorstellung wartete Seehofer mit einer Überraschung auf. In seinem Masterplan ist die in der Vorwoche am Abend des 5. Juli erfolgte Einigung der Koalition zur Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutsch-österreichischen Grenze gar nicht enthalten. Weiterhin ist von "Transitzentren" die Rede, obwohl die Union und SPD unter Führung von Parteichefin Andrea Nahles übereingekommen waren, von "Transitverfahren" beziehungsweise "Transferzentren" zu sprechen. "Wir richten dafür Transitzentren ein, aus denen die Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden", steht jedoch in dem Dokument.

Seehofers Erklärung: "Es ist kein Masterplan der Koalition, sondern ein Masterplan des Bundesinnenministeriums." Und nach der Einigung am 5. Juli habe er den Plan schlicht nicht fortschreiben wollen, sonst werde man ja nie fertig. Er sagte auch: "Es ist keine Provokation, aber wenn Sie wollen, können Sie es auch als eine sehen."

Die SPD zeigte sich auch prompt sauer: Vizechef Ralf Stegner sagte, seine Partei habe "keinerlei Bedarf an weiteren Aufführungen im Sommertheater" der CSU. Und: "Wir reden über keinen anderen Masterplan als den Koalitionsvertrag." SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil rief Seehofer zur Arbeit auf: "Herr Seehofer hat aus dem Koalitionsvertrag und seit letzter Woche genügend Aufträge, die er abarbeiten muss."

Doch im Masterplan stehen noch mehr Maßnahmen, die der SPD bei näherer Betrachtung nicht gefallen dürften. Seehofer will mehr Abschiebehaftplätze, eine Kostenbeteiligung von Schutzsuchenden an Gerichtsverfahren, verbindliche medizinische Altersfeststellungen in Zweifelsfällen und das Prinzip "Sachleistung vor Geldleistung" in Gemeinschaftsunterkünften sowie für abgelehnte Asylwerber. Außerdem will er die Liste der sicheren Herkunftsländer um Algerien, Marokko, Tunesien und Georgien erweitern.

"Schwierige Gespräche"

Seehofer ahnt, dass die Verhandlungen mit der SPD nicht leicht sein werden. "Wir werden noch vieles anders vereinbaren, als es hier drinsteht", sagte er. Es sei nicht vorstellbar, dass die SPD alle 63 Punkte übernehme: "Das wäre eine Welturaufführung." Er sieht auch "schwierige Gespräche" mit den europäischen Partnern bezüglich der Verwaltungsabkommen zur Rücknahme von Asylwerbern.

Ausdrücklich lobte er aber die Gespräche mit Österreich als "erstklassig". Mit Wien sei er sich einig, dass an der Grenze jene Migranten abgewiesen werden, die in Österreich schon ein Asylabkommen gestellt haben. Im Wiener Innenministerium heißt es dazu, das sei korrekt für jene Fälle, in denen die betroffene Person in Deutschland keinen Asylantrag stellt. Sei dies doch der Fall, dann müsse zunächst ein Dublin-Konsultationsverfahren mit Österreich eingeleitet werden. Einer Überstellung müsse Österreich auch zustimmen. Und weiter: "Eine automatische Zurückweisung an der Grenze ist rechtlich nicht zulässig und wird auch nicht akzeptiert." (Birgit Baumann aus Berlin, 10.7.2018)