Demonstranten vor dem Gericht in München mit Porträts der NSU-Opfer.

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Es ist – fürs Erste und nach fünf langen Jahren – endlich vorbei. Beate Zschäpe, die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, wurde am Mittwoch vom Oberlandesgericht München schuldiggesprochen und für die Mittäterschaft an zehn Morden zu lebenslanger Haft verurteilt. Nichts anderes war erwartet worden. Ihre Strategie war nicht aufgegangen. Ich war die ahnungslose, brave Hausfrau, die für die beiden Kumpanen Uwe B. und Uwe M. bloß gekocht und den Haushalt geführt hat, lautete diese. Von den mörderischen Umtrieben ihrer Freunde will sie nichts mitbekommen oder immer nur im Nachhinein erfahren haben.

Doch die Indizienkette, die die deutsche Bundesanwaltschaft in diesem Mammutverfahren vorgelegt hat, war dicht genug, um dies zu widerlegen. Zschäpe war eingeweiht, sie wusste alles, bloß die "Arbeitsteilung" sah vor, dass nicht sie, sondern die beiden Uwes abdrückten und neun Kleinunternehmer mit Migrationshintergrund sowie eine Polizistin töteten. Auch die anderen Angeklagten bekamen Haftstrafen.

Es ist eine Erleichterung, dass nun dieses Urteil gefallen ist, dass Schuldige benannt wurden und für diese grausamen Taten zur Verantwortung gezogen werden. Lange Zeit war das Bild ein ganz anderes gewesen: In Deutschland zog eine Art braune RAF durchs Land und konnte unerkannt morden, weil die Sicherheitsbehörden sie nicht entdecken konnten oder wollten. Es gab Verflechtungen von V-Leuten mit rechtsextremen Kreisen, es wurden Akten vom Verfassungsschutz geschreddert, die Familien der Opfer wurden bei den Ermittlungen unter Druck gesetzt, Hinweise auf einen rechtsextremen Hintergrund wurden lange nicht verfolgt. All das erzeugte ein schreckliches Gefühl des Staatsversagens.

Uneingelöstes Versprechen

"Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland verspreche ich Ihnen: Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen" – das sagte Angela Merkel im Jahr 2012 bei der Trauerfeier für die Opfer. Das war nur wenige Monate nach dem Auffliegen des NSU.

Dieses Versprechen ist bis heute nicht eingelöst. Aufgabe des NSU-Prozesses in München war, die strafrechtliche Dimension zu klären, das hat er getan, und man kann Richter Manfred Götzl nicht vorwerfen, dass er seine Arbeit nicht gründlich gemacht hat. Doch es gibt noch viele offene Fragen, etwa nach der Rolle des Verfassungsschutzes und dessen Schweigen.

Unvorstellbar ist auch, dass der "Nationalsozialistische Untergrund" im Kern nur aus Beate Zschäpe und den beiden (seit November 2011 toten) Uwes bestanden haben soll. Zu wenig ist über das braune Netzwerk bekannt. Es laufen immer noch Ermittlungsverfahren gegen mehrere Personen und gegen unbekannt. Diese müssen vorangetrieben werden – zumal Zschäpe selbst zur Aufklärung nichts beigetragen hat. Das ist unerträglich für die Opfer, wenngleich Zschäpe bloß von ihrem Recht Gebrauch gemacht hat und sich mit ihren beiden dürren Erklärungen ohne nachvollziehbare Worte der Reue ohnehin selbst keinen Gefallen getan hat.

Doch dieses Schweigen ist ein Auftrag. Die Aufarbeitung darf noch nicht vorbei sein. Die Bedrohung durch Rechtsextremismus bleibt, und in einer Zeit, in der der Ton gegen "die Fremden" immer rauer wird, darf Kanzlerin Merkel ihr Versprechen von 2012 nicht vergessen. Deckel drauf und Schlussstrich, das wäre jetzt nach diesem Urteil fatal. (Birgit Baumann, 11.7.2018)