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Zum Umfallen müde: Die Uhrenumstellung trägt zur allgemeinen Erschöpfung bei.

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Peter Spork wurde 1965 in Frankfurt am Main geboren. Er ist Biologe und Wissenschaftsautor. Sein erster Bestseller "Das Schlafbuch" erschien vor zehn Jahren.

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Peter Spork: "Wake up!", Hardcover 2014, Hanser, € 19,50

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STANDARD: Sie beschäftigen sich als Wissenschaftsautor ganzjährig mit dem Wachsein und dem Schlaf. Deshalb gleich vorneweg: Sind Sie für oder gegen die Zeitumstellung?

Spork: Ich bin klar gegen die Zeitumstellung. Allein schon die Bezeichnung Sommer- und Winterzeit ist vollkommen falsch in dieser Diskussion. Es gibt keine Winterzeit.

STANDARD: Wie genau meinen Sie das?

Spork: Die Zeit richtet sich nach der Sonne. Wir Menschen sind Wesen, die vom Licht gesteuert werden, unser Gehirn und damit unser Organismus reagiert auf Hell und Dunkel. Die Winterzeit ist deshalb die Normalzeit, die in Mitteleuropa geltende Zeitzone sozusagen. Das, was wir als Sommerzeit bezeichnen, ist die Normalzeit in der Ukraine und Bulgarien. Aber dort leben wir ja nicht. Mit der Zeitumstellung irritieren wir unsere innere Uhr.

STANDARD: Aber unsere innere Uhr ist doch flexibel?

Spork: Nicht wenn es um eine willkürliche Zeitumstellung geht. Die Sommerzeit zwingt uns ja in einen anderen Rhythmus. Wenn es abends länger hell ist, sind wir auch länger auf. Wir schlafen aber morgens keineswegs länger, weil uns ja der Wecker aufweckt und nicht das Licht. In einer ohnehin schon übermüdeten Gesellschaft verlieren wir bis zu einer Stunde Schlaf täglich.

STANDARD: Morgens meinen Sie?

Spork: In der Sommerzeit ist man abends länger wach, man steht aber trotzdem früher auf. Wollte man die Frage "Sind Sie für oder gegen die Zeitumstellung?" richtig stellen, würde aus meiner Sicht die Frage lauten "Wollen Sie eine Stunde früher zur Arbeit gehen und deshalb bis zu eine Stunde kürzer schlafen?". Wer für die Sommerzeit ist, schläft sieben Monate lang de facto weniger. Damit vergrößert sich der soziale Jetlag.

STANDARD: Was genau ist der soziale Jetlag?

Spork: Sozialer Jetlag ist ein Begriff, den der Chronobiologe Till Roenneberg von der Ludwig-Maximilians-Universität München geprägt hat. Er bezeichnet damit den dauerhaften Widerstreit zwischen der inneren Uhr und der äußeren Zeitplanung. Durch die Mediennutzung verlagert sich vieles auch in die Nacht. Die Menschen wundern sich dann, was sie so müde macht.

STANDARD: Hat die Sommerzeit gar keine Vorteile?

Spork: Keine wissenschaftlich belegten, die ich kenne. Die Menschen sagen zwar, dass sie sich freuen, abends mehr Zeit für Aktivitäten oder Sport zu haben, dass sie mehr rausgehen, aber ob sie das dann auch tatsächlich machen, ist eine andere Frage. Eine flexible Arbeitszeitregelung wäre da sicher eine effizientere Möglichkeit.

STANDARD: Ist diese innere Uhr, von der Sie ausgehen, bei allen Menschen gleich?

Spork: Nein, es gibt Unterschiede. Nur circa ein Fünftel der Menschen zählt zu den sogenannten Lerchen, also den Frühaufstehern. Ihnen fällt das Aufstehen morgens leichter. Insofern ist morgendliches Aufstehen mehrheitlich ein Problem, vor allem, wenn man abends lange wach war. Wer ausgeschlafen ist, steht auch ohne Wecker auf.

STANDARD: Aber Menschen sind anpassungsfähig und schaffen doch auch eine Zeitumstellung, wenn sie Kontinente wechseln?

Spork: Das ist aber ganz etwas anderes. Bei Fernreisen ändern sich ja auch die Lichtverhältnisse, und damit ist es für den Körper dann kein Problem, sich auf die neuen Tag- Nacht-Rhythmen einzustellen. Bei der Umstellung von Sommer- auf Winterzeit bleiben die Lichtverhältnisse ja gleich.

STANDARD: Aber zu wirklichen Problemen hat das nicht geführt?

Spork: Kinder sind viel feinfühliger als Erwachsene. Man weiß, dass ihnen bei der Umstellung auf die Sommerzeit das Einschlafen schwerfällt. Das wird als medizinisches Problem aber nicht wirklich wahrgenommen. Bei Jugendlichen, deren Chronobiologie in der Pubertät extrem im Wandel ist, treten die Probleme oft erst zwei bis drei Wochen nach einer Zeitumstellung auf. Da hat sich dann der Schlafmangel akkumuliert. Chronischer Schlafmangel kann depressiv machen. Es beeinflusst auch das Immunsystem, man kann krank werden. Doch solche Bezüge werden drei Wochen nach einer Zeitumstellung dann gar nicht mehr in Relation gesetzt. Bisherige Studien zu den gesundheitlichen Folgen der Uhrenumstellung haben sich immer auf die direkten Folgen konzentriert, die Langzeitfolgen wurden nicht erfasst.

STANDARD: Schlaf wird ein immer größeres Thema. Findet nicht auch ein Umdenken statt?

Spork: Gerade im letzten Jahr gab es zunehmend mehr Erkenntnisse darüber, wie die innere Uhr funktioniert. Man weiß, dass die Genaktivität im Körper je nach Tageszeit schwankt. Der Mensch unterscheidet sich je nach Tageszeit, könnte man sagen. Es verdichten sich die Hinweise, dass es nicht egal ist, zu welcher Uhrzeit Medikamente eingenommen werden beziehungsweise zu welcher Tageszeit man sich einer Operation unterziehen sollte. Ich denke, dass die Forschung zur inneren Uhr und den damit verbundenen Auswirkungen auf den Körper noch ganz am Anfang steht. (Karin Pollack, 14.7.2018)