St. Petersburg – Antoine Griezmann und Kylian Mbappé sorgen für die offensiven Highlights und die meisten Schlagzeilen, doch es war wieder einmal ein Verteidiger, der im WM-Halbfinale für Frankreich auftrumpfte. Samuel Umtiti köpfelte die Auswahl von Didier Deschamps am Dienstag im Halbfinale gegen Belgien zu einem 1:0-Sieg und ins Finale am Sonntag (17 Uhr, live ORF 1).

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Frankreichs Offensivkräfte Antoine Griezmann (li.) und Paul Pogba (re.) hatten ihren Spaß mit Samuel Umtiti und Raphael Varane (Mitte).
Foto: AP/Martin Meissner

"Man of the Match"

Umtiti setzte sich in der 51. Minute nach einem Eckball gegen den elf Zentimeter größeren Belgier Marouane Fellaini durch. "Mir haben viele gesagt, die Entschlossenheit ist entscheidend. Ich habe gut antizipiert", sagte der 24-Jährige zum entscheidenden Zweikampf, der ihm auch die Auszeichnung als "Man of the Match" einbrachte.

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Umtiti bildet mit Raphaël Varane, beide Jahrgang 1993, ein kongeniales Duo in der Innenverteidigung. Die beiden Spanien-Legionäre – Umtiti spielt für Barcelona, Varane für Real Madrid – entschärften in der K.-o.-Phase Stürmer wie Lionel Messi, Luis Suárez und zuletzt Romelu Lukaku und wurden selbst zu Matchwinnern.

Immer wieder Tore aus Standards

Beim 2:0 gegen Uruguay öffnete Varane mit seinem Treffer zum 1:0 (40.) die Tür zum Halbfinale, in dem Umtiti seinen großen Auftritt hatte. Beide trafen jeweils nach Standardsituationen von Griezmann per Kopf – Varane nach einem Freistoß, Umtiti nach einem Eckball. Keine Überraschung bei diesem Turnier, bei dem 69 der 158 Tore nach ruhenden Bällen gefallen sind und 32 per Kopf. Mehr Kopfballtore, nämlich 35, gab es zuletzt bei der WM 2002.

Umtiti ist in Kameruns Hauptstadt Yaoundé geboren, fußballerisch bei Olympique Lyon gewachsen und seit zwei Jahren beim FC Barcelona unter Vertrag. 2016 kam bei der Heim-EM auch sein internationaler Durchbruch. Varane verpasste die Europameisterschaft wegen einer Verletzung, nun sorgen sie gemeinsam für Furore. "Le Parisien" schwärmte von dem Duo, das "vielleicht die wahre Identität dieser französischen Mannschaft widerspiegelt: bereit, sich zu zerreißen, um zu überleben und zu gewinnen und dabei liebevoll beim Gegner zu treffen".

Auf den Spuren von Lilian Thuram

Umtiti setzte mit seinem ersten Treffer im Nationalteam auch eine Tradition fort: Vier der jüngsten sechs Tore der Franzosen in einem WM-Halbfinale gingen auf das Konto von Verteidigern. 1982 gegen Deutschland (3:3,4:5 i. E.) traf Marius Trésor, 1998 gegen Kroatien (2:1) war zweimal Lilian Thuram erfolgreich.

Thuram ist eine lebende Legende. Keiner spielte häufiger für Frankreich (142-mal), vor allem aber: Thuram war es, der dem Team vor 20 Jahren bei der WM im eigenen Land den Weg ins Finale ebnete. Im Halbfinale gegen Kroatien glich er zunächst die Führung durch Davor Šuker aus und erzielte dann noch den Siegestreffer zum 2:1. Für Thuram blieben es die einzige Tore im Nationaltrikot.

Parallelen zu 1998

Nun träumt ganz Frankreich von einer Wiederholung des Triumphs von 1998, als man sich ebenfalls auf eine starke Verteidigung mit Laurent Blanc und Marcel Desailly im Zentrum sowie Bixente Lizarazu und Thuram an den Flügeln verlassen konnte. Blanc, Lizarazu und Thuram trugen sich damals auf dem Weg ins Finale in die Torschützenliste ein. 20 Jahre später waren mit Varane, Umtiti und Benjamin Pavard ebenfalls schon drei Verteidiger erfolgreich. "Sie haben ihre Arbeit 1998 gemacht, wir machen jetzt unsere. Wir wollen unsere Geschichte schreiben", sagte Umtiti zum Vergleich der beiden Generationen.

Das letzte Kapitel wollen die Franzosen am Sonntag in Moskau vollenden. "Wir haben noch nicht allzu viel realisiert, aber wir wissen, dass wir schon Großes geleistet haben. Jetzt gibt es noch ein Spiel, damit wir etwas ganz, ganz Großes leisten", betonte Umtiti. (APA, AFP, sid, red, 11.7.2018)