Wien – In seiner Selbstsicht und nach Einschätzung seiner Freunde ist Benjamin F. ein guter Mensch. "Ich wollte sozial sein, ich wollte ihnen helfen", erklärt der 30-Jährige dem Schöffensenat unter Vorsitz von Olivia-Nina Frigo über sein Verhältnis zu Frauen, die ihm vorwerfen, sie betäubt und vergewaltigt zu haben. Angeklagt hat Staatsanwältin Gabriele Müller-Dachler allerdings nur die Vergewaltigung von Frau S. – F. soll sie am 18. Dezember 2016 vor dem Geschlechtsverkehr mit einem Tee betäubt haben, ein ähnlicher Vorfall soll sich im Februar 2017 abgespielt haben.

Der unbescholtene F., der äußerlich ein wenig an Jeffrey Albertson, den "Comic Book Guy" aus der Zeichentrickserie "Die Simpsons", erinnert, bekennt sich nicht schuldig. Auf etwas seltsame Art und Weise. Denn als ihn die Vorsitzende mehrmals ersucht, entweder lauter zu sprechen oder näher ans Mikrofon zu rücken, beginnt F. aus unerfindlichen Gründen zu kichern. Ein Verhalten, das sich später wiederholt, als er sich bei einer Antwort im Wortgestrüpp verfängt.

Mit Kratzspuren "markiert"

Inhaltlich beteuert er, Frau S. einmal zufällig auf einer Party kennengelernt und im Dezember 2016 ebenso zufällig in einer Bar wiedergetroffen zu haben. "Sie hat mich markiert", erzählt er, was Frigo und Beisitzer Thomas Spreitzer etwas verwirrt. "Sie hat Markierungen gesetzt", wiederholt F. "Welche?", fragt Frigo. "Sie hat mir den Rücken zerkratzt."

Eigentlich habe er die Frau, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit aussagt, heimbegleiten wollen, in der U-Bahn habe sie aber einen nervlichen Zusammenbruch erlitten. "Sie bekam nicht einmal mehr heraus, wo sie wohnt. Da habe ich ihr angeboten, dass sie bei mir im Bett schlafen kann und ich auf dem Sofa." Der Plan ging nicht auf, denn: "Dann habe ich den größten Fehler meines Lebens gemacht, den man machen kann."

F. legte sich zu Frau S. ins Bett, sagt er, sie habe Sex von ihm gewollt, der dann auch einvernehmlich stattfand. Tee sei damals aber keiner im Spiel gewesen, erst beim zweiten Treffen im Februar. "Wir haben einen Filmabend gemacht und uns 'Alice im Wunderland' angesehen. Sie suchte den Tee aus und war auch bei der Zubereitung anwesend", sagt der Angeklagte.

"Pyjamaparty", wenn Frau im Bett liegt

Aufgewacht sei er, als Frau S. ihm in den Bauch schlug und behauptete, er sei in sie eingedrungen. Was er ausschließt: "Ich hatte zwei Hosen an, da ich manchmal in der Nacht eine abstreife. Das mache ich immer, wenn ich eine Pyjamaparty mache", verwirrt F. den Senat neuerlich. "Eine Pyjamaparty?", fragt die Vorsitzende daher nach. "Ich nenne das so, wenn eine Frau neben mir schläft."

Am fraglichen Abend sei es jedoch "klipp und klar gewesen, dass es nicht zu Sex kommt." – "Warum?", interessiert Frigo. "Wir waren müde, und es war kalt", erinnert sich der Angeklagte. Ob er mit Frau S. in einer Beziehung war? "Es war Freundschaft plus. Aber sie wurde dann aufdringlich. Ich würde sogar sagen, sie hat mich gestalkt. Sie hat Gerüchte über mich verbreitet, Telefonterror betrieben, eine Schwangerschaft vorgegaukelt."

Einen Beruhigungstee hatte F. aber sehr wohl. Ein Nachbar, der mittlerweile in Thailand leben soll, habe ihm die Kräutermischung gegen seine Prüfungsangst gegeben. An einen Vorfall im Zusammenhang mit dem Gebräu im Jahr 2016 kann er sich erinnern: Frau A., 22 Jahre alt, bezeichnet der Angeklagte als "kleine Schwester" und "Katzenmutter", der er seine Tiere überlassen habe. Gleichwohl will er "ein Date" mit ihr gehabt haben.

"Konzentrationsmassage" und "Konzentrationstee"

Als die junge Frau vor der Führerscheinprüfung stand, habe er ihr eine "Konzentrationsmassage" und einen "Konzentrationstee" angeboten. Möglicherweise habe der Tee zu lange gezogen, Frau A. entwickelte jedenfalls Halluzinationen, und auch ihm selbst sei es nicht gut gegangen. Man habe aber beschlossen, keinen Arzt aufzusuchen, sondern ins Bett zu gehen. "Als wir aufwachten, war sie nackt, ich aber angezogen."

Frau A. sagt als Zeugin, dass sie F. Ende 2015 kennengelernt habe. "Es war eine Freundschaft, aber er wollte mehr von mir", ist sie überzeugt. So habe er sich bei einem Filmabend einmal neben ihr unter der Decke selbst befriedigt, habe ihr ein Mitbewohner erzählt. Sie habe das aber nicht bemerkt.

"Hatten Sie mit ihm Geschlechtsverkehr?", will Frigo von der Zeugin wissen. "Freiwillig sicher nicht", lautet die Antwort. F. habe ihr auch erzählt, dass er "auf Vampirsex steht. Irgendwas mit Blutbad. Ich habe ihm gesagt, er soll sich untersuchen lassen."

Bitterer Geschmack und Halluzinationen

An die – wie erwähnt nicht angeklagte – Nacht vor der Führerscheinprüfung kann sie sich nur noch bruchstückhaft erinnern. Der angebotene Tee sei extrem bitter gewesen, dann habe sie Phantasmagorien gesehen. Am nächsten Tag sei sie nackt aufgewacht und habe Flüssigkeit zwischen ihren Beinen gespürt. "Warum haben Sie damals keine Anzeige erstattet?", will die Vorsitzende wissen. "Weil ich alleine war und nicht wusste, dass es auch andere Frauen gibt."

Eine von diesen, Frau S., habe sie zufällig in einem Lokal kennengelernt, dann habe man sich über die Erfahrungen mit dem Angeklagten ausgetauscht. Das Ergebnis, wie es Elisabeth Bischofreiter, Privatbeteiligtenvertreterin von Frau S., formuliert: "Vier Frauen sagen, dass sie bei Ihnen Tee getrunken und danach Erinnerungslücken haben."

S. und A. wollten nach ihrem Gespräch privat recherchieren und die damalige Mitbewohnerin des arbeitslosen F. vor ihm warnen. Sie suchten die Wohnung auf, A. schaltete auch den Computer ein und durchsuchte den PC nach Internetseiten, die F. besucht hatte.

Eindeutige Suchanfragen

Verteidiger Karlheinz Amann setzt darauf seine Hoffnungen, eine Verschwörung der Frauen beweisen zu können. Denn die auf PC und Laptop seines Mandanten von der Polizei gefundenen Suchanfragen sind auch der Vorsitzenden aufgefallen. "Schlaftee", "Sex unter Hypnose" und "How to fuck a girl without her waking up" finden sich darunter. Zumindest bei letzterem Suchbegriff hält der Angeklagte es für möglich, dass er von seiner ehemaligen Mitbewohnerin stammt.

F. sagt zunächst, er habe nur nach Bildern von schlafenden Frauen gesucht, da ihn das beruhige. Schon als Kleinkind sei er deshalb am Bett seiner Eltern gestanden und habe diese beobachtet. "Das ist keine sexuelle Neigung", betont er. Im Lauf des Verfahrens gibt er dann allerdings doch zu, auch pornografische Videos von Sex mit schlafenden Frauen betrachtet zu haben. Dass er bei der Polizei noch aussagte, das sei ein Fetisch, der ihn erregen würde, bestreitet er nun.

Wegen einer erkrankten Zeugin wird schließlich vertagt. (Michael Möseneder, 11.7.2018)