Eiszeit zwischen Angela Merkel und Donald Trump beim Nato-Gipfel: Der US-Präsident hat Deutschland und die Kanzlerin wegen Beiträgen und Handelsstreits voll attackiert.

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In bitteren Zeiten und strategisch schwieriger Lage muss man Ausweichmanöver machen. Das mag sich Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg gedacht haben, als er Mittwoch zum Auftakt des Nato-Gipfels zum Verlauf seines Arbeitsfrühstücks mit US-Präsident Donald Trump Auskunft gab: "Ich hatte exzellenten Orangensaft, Toast und Fruchtsalat" , fasste er den Morgenschmaus zusammen, "ein gutes Frühstück, bezahlt von den USA."

Die beiden Herren hatten sich in der Früh in der US-Residenz getroffen, wenige Stunden vor dem Treffen der 29 Staats- und Regierungschefs der Allianz im Hauptquartier in Brüssel. Stoltenberg hatte danach allen Grund, von der Begegnung mit Ironie abzulenken. Denn Trump nutzte seinen zweiten Europabesuch seit Amtsantritt im Jänner 2017 vom Start weg zu einer diplomatisch brutalen Attacke auf die transatlantischen Partner. Damit war, wie berichtet, im Prinzip schon gerechnet worden. Aber dass es so heftig ausfiel, machte viele sprachlos. Insbesondere auf Deutschland hat der Präsident es abgesehen, und er machte gar kein Hehl daraus, dass es ihm nicht nur um die seiner Meinung nach viel zu niedrigen deutschen Militärausgaben ginge. "Deutschland ist ein Gefangener Russlands", polterte Trump, es sei "total von Russland kontrolliert".

Kampf um Erdgashandel

Während die USA die Deutschen beschützten, würden diese einen milliardenschweren Erdgasdeal mit Russland machen. Mit dem Bau der zweiten Erdgasleitung Nord Stream 2 in der Ostsee, würde er sich niemals abfinden, es sei "völlig unangemessen". Die USA kämpfen seit Jahren darum, das aus Fracking gewonnene Gas in Europa auf den Markt zu bringen. Nun klagt Trump, dass "Milliarden für Gas nach Moskau fließen". Der US-Präsident forderte zudem eine deutliche Aufstockung der Militärbudgets bei den Bündnispartnern. Sie seien seit Jahrzehnten auf Kosten der USA säumig. Es fehlten zig Milliarden.

Mit seiner Eröffnungstirade hatte Trump den Takt des Gipfels vorgegeben, die Europäer in die Defensive gebracht. Er setzte dies demonstrativ in der Sitzung fort, als er aus dem Saal des Nordatlantikrates twitterte: "Ich bin in Brüssel, aber ich denke die ganze Zeit an unsere Bauern. (Der Preis für) Sojabohnen fiel zwischen 2012 und meiner Wahl um 50 Prozent. Farmern geht es seit 15 Jahren schlecht. Die Handelsbeschränkungen anderer Länder und Zölle haben ihr Geschäft zerstört."

Er werde für die US-Farmer kämpfen, versicherte er, womit auch das Thema der US-Handelssanktionen gegen die EU auf dem Tisch der Nato landete. Die Europäer bemühten sich um Beruhigung. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wies Trumps Attacken kühl zurück. Es sei "gut, wenn Deutschland eine eigenständige Politik machen" könne bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Russland. Sie erinnerte daran, dass sie in der DDR selbst erlebt habe, was es bedeute, in einem von Russland kontrollierten Land zu sein. Nun sei Deutschland vereint und frei.

Merkel reagiert kühl

Das erläuterte sie dann Trump auch in einem Vier-Augen-Gespräch. Sie betonte, dass Deutschland zu seinen Zahlungsverpflichtungen stehe, die Militärausgaben würden schrittweise erhöht, aber in dem selbstgewählten Tempo. Man habe auch über Handelsfragen und Gaslieferungen gesprochen, sagte Trump.

Nato-Generalsekretär Stoltenberg hob vor der Unterzeichnung der im Vorfeld vereinbarten Dokumente die Fortschritte hervor, die das Bündnis bei der Verteidigungsfähigkeit in Osteuropa in den vergangenen zwei Jahren mit dem Aufbau flexibler, nicht ständiger Truppen gemacht habe. Stärkung und bessere Verfügbarkeit einer "schnellen Eingreiftruppe", um der Bedrohung durch Russland begegnen zu können, ohne ständige Truppen zu stationieren, sind auch Kern künftiger Reformen. Bis 2020 sollen 30 Einheiten von Heer, Luftwaffe, Schiffen und Marine mit insgesamt 30.000 Mann trainiert werden und binnen 30 Tagen einsatzbereit sein. Das hat der Nato-Rat am Abend beschlossen. Wie ein Nato-Stratege dem STANDARD erklärte, sollte man sich vom "rhetorischen Gewitter" Trumps nicht ablenken lassen. Entscheidend sei, dass Washington zu den neuen Vereinbarungen stehe. Gemäß dem von Charles de Gaulle geprägten Spruch "Die Hunde bellen, aber die Karawane zieht weiter", sollte man nicht vergessen: Die USA hätten ihr Engagement in Europa nicht nur nicht reduziert, sondern ausgebaut. (Thomas Mayer, 12.7.2018)