Liveticker: Spiel um WM-Platz drei live: Belgien vs. England, Samstag, 16 Uhr

Man könnte natürlich auch dem alten Bill Shankly recht geben und sich der totalen Verzweiflung hingeben. "Einige Leute halten Fußball für eine Sache von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich versichere Ihnen, dass es viel ernster ist", hatte der legendäre schottische Trainer einst gesagt. Ein etwas modernerer Kollege, Gareth Southgate, war nach Englands Semifinalniederlage zwar traurig, aber doch nicht zu Tode betrübt. "Diesmal haben wir es nicht geschafft, aber wir werden daraus lernen", sagte der Coach der Three Lions nach dem in der Verlängerung erlittenen 1:2 gegen Kroatien.

Trauer und Trost.
Foto: APA/AFP/FRANCK FIFE

Er sei überzeugt, dass es "solche Erfahrungen" seien, die eine Mannschaft "zu einem Gewinnerteam" mitformen, sagte der 47-Jährige: "Was in den vergangenen Wochen passiert ist, wird uns stärker machen." Auf den Rängen des Moskauer Luschniki-Stadions feierten die Anhänger die Mannschaft noch Minuten nach dem Schlusspfiff, durch die Lautsprecher dröhnte der Oasis-Klassiker "Don't Look Back In Anger".

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Prinzlicher Trost

Der Thronfolger himself gab dem Volk in der Niederlage die Tonalität vor. "Ich könnte nicht stolzer auf dieses Team sein", twitterte Prinz William, der auch Präsident des englischen Fußballverbandes FA ist: "Ihr hattet eine unglaubliche WM, habt Geschichte geschrieben und uns Fans etwas gegeben, an das wir glauben konnten. Wir wissen, dass von dieser Mannschaft noch mehr zu erwarten ist."

Quasi in stolzer Trauer verharrte auch Kapitän Harry Kane, der in den K.-o.-Spielen ohne Torerfolg geblieben war, angesichts der wenig lockenden Partie um Rang drei und eines Vorsprungs von zwei Treffern auf die Konkurrenz aber immer noch leicht Schützenkönig der russischen Endrunde werden könnte.

"Wenn es den Fans ein wenig hilft, nehme ich den Preis gerne mit", sagte der mit seinen 24 Jahren jüngste englische Kapitän aller bisherigen Zeiten. Die Niederlage schmerze, "sehr sogar, aber wir können die Köpfe weit oben behalten. Wir sind weiter gekommen, als ganz viele gedacht haben." Gemutmaßt wurde, dass Kane nicht völlig fit ins Spiel gegangen war.

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Stolze Trauer.
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Seit der zweiten Spielhälfte im Achtelfinale gegen Kolumbien sei ihm der Stürmer angeschlagen vorgekommen, sagte der Ex-Internationale und TV-Analyst Gary Neville auf Sky Sports. Southgate widersprach der Einschätzung seines ehemaligen Nationalteamkollegen und ließ auch die leise aufkommende Kritik am Torjäger von Tottenham nicht zu: "Er hat das Team brillant durch die WM geführt. Ich könnte nicht mehr von ihm als Kapitän oder als Mensch verlangen."

Und: "Wir sind als Kollektiv hierhergefahren, und wir fahren als Kollektiv nach Hause." Für viele Engländer wurde die Mannschaft zu einem Sinnbild eines neuen Gemeinschaftsgefühls. "Danke für die erlösende Ablenkung vom Brexit. Wir sind stolz auf euch. Danke, dass ihr uns vereint habt", schrieb der Independent.

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Vor allem Trauer.
Foto: AP/Bruno

Tatsächlich wartet daheim weder auf Kane oder den Coach der Ritterschlag, aber große Sympathie und Zukunftshoffnungen. "Der Traum ist vorbei, aber nun haben wir 23 Löwen", schrieb die Sun im selben kämpferischen Ton wie die meisten Zeitungen auf der Insel. "Zutiefst erschüttert, aber diese junge Truppe hat absolut alles gegeben. Das ist ein großer Schritt nach vorne, und sie können nur noch besser werden", fasste Chefkommentator Gary Lineker die Emotionen der mit dem Team leidenden Anhänger zusammen. Southgate, dessen Vertrag nun entgegen der Abmachung noch vor der erfolgreichen Qualifikation für die EM 2020 bis zur WM-Endrunde 2022 in Katar verlängert werden könnte, zeichnete jedenfalls eine rosige Zukunft. "Wir wollen eine Mannschaft sein, die in Finale einzieht. Das ist es, was wir langfristig ins Auge gefasst haben, und wir haben bewiesen, dass es möglich ist."

Psychospiel um Platz drei

Näher liegt allerdings das erste Finale seit 1990 in Italien, als es ebenfalls um Platz drei ging (und ein 1:2 gegen die Gastgeber setzte). Am Samstag warten die Belgier in Sankt Petersburg. "Um ehrlich zu sein: Das ist ein Spiel, das kein Team spielen will", sagte Southgate. "Es ist natürlich eine sehr schwere Aufgabe, jeden mental dort wieder hinzubringen." Kieran Trippier, Torschütze gegen die Kroaten, dürfte verletzt ausfallen. (APA, sid, lü, 12.7.218)